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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
21.1959, Jahresband, Ortsgeschichte von Egringen.1959
Seite: 296
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1959/0298
bewies" (Neu, Pfarrerbuch d. ev. Kirche Badens, Teil II, S. 617). So richtet er auch
bereits am 18. 10. 1753 von Karlsruhe aus ein flehentliches Schreiben an den Markgrafen
, in dem er nicht nur für seinen Adjunctus dankt, sondern noch viel mehr
darum bittet, ihn wieder von ihm zu befreien, da ihm „Gott eine gnädige Verbesserung
seiner Umstände gegeben" habe, damit (er) auch seine „Frau mit noch
6 über dem Tisch habenden Kindern, unter denen ein sehr elender Sohn ist, unter
göttl. Beistand ferner desto besser erhalten könne". Doch hielt man dafür, daß
von seinem Amte in Egringen nicht viel Frucht zu erwarten sei, da man fürchtete,
er habe infolge seiner Krankheit die dazu nötige Autorität in der Gemeinde verloren
. „Die enormen Extravaganzen, welche er in seiner Mania verübt und welche
von seinen Zuhörern oft mit Gewalt haben gehindert werden müssen, können
keinen guten Eindruck machen, wenn sie den Gemütern bei seinem Anblick
wieder ins Gedächtnis kommen" (Bericht des Dekans Walz). Inzwischen aber
waren die Dinge in Egringen ohne sein Wissen ihren weiteren Gang gegangen.
Denn als er 1754 wieder nach hier zurückkam, befremdete es ihn sehr, daß er nicht
in sein Pfarrhaus einziehen konnte, sondern seine Familie in einem „gar kleinen
halben Bauernhaus, einer elenden Herberge, die keinem Taglöhner nicht gut
genug wäre", vorfand. Im Pfarrhaus wohnte sein Adjunctus, der sich nun bald
verheiraten wollte. In der Hoffnung, daß die baldige Versetzung des einen von
beiden alle offen stehenden Fragen in naher Zukunft selbst lösen werde, schlössen
beide dahingehend einen Vergleich, daß der Hauszins der „Herberge" für den
Pfarrer vom Adjuncten bezahlt wurde und im Pfarrhaus dem Pfarrer der nötige
Unterstellraum gewährt werde. Auch sah Tulla ein, daß das Pfarrhaus nicht zur
Wohnstatt für 2 Familien geeignet sei. Gelegentliche Aushilfen in Grenzach und
anderen Gemeinden zeugten indes von seiner wachsenden Wiederherstellung, so
daß endlich im Jahre 1755 die Lösung der Verhältnisse zur Befriedigung aller
Teile heranreifte: Tulla wurde Pfarrer in Kleinkems, sein Adjunctus Haf aber
wurde Pfarrer in Egringen - jedoch mit dem Zusatz, daß er jährlich 40 Gulden
für den im Waisenhaus Pforzheim befindlichen Tulla'schen Sohn Lorenz zu zahlen
habe.

Nicht nur weil es sich bei ihm um einen Egringer Pfarrerssohn handelt, sondern
auch deshalb, weil uns sein Geschick einen interessanten Einblick in die damaligen
Zeitverhältnisse erlaubt, fesselt uns das Lebensschicksal dieses Sohnes Lorenz
Tulla ganz besonders. Ist er doch zu Egringen geboren und liegt doch auch seine
Mutter in unserer Kirche begraben. Er ist wirklich der „sehr elende Sohn", von
dem sein Vater gesprochen hatte. Seit 1753 finden wir ihn als Krüppel im Waisenhause
zu Pforzheim vor, dem das „Tollhaus" angegliedert war. Nachdem sein
Vater bereits 6 Jahre Egringen verlassen hatte, treffen wir erneut auf die Spur
dieses Sohnes. Denn er stellte 1761 den Antrag auf Eröffnung einer „Krämerei" in
Egringen. Dabei schildert er in bewegten Worten sein trauriges Lebensgeschick,
wie er einst „durch Incisionen unerfahrener Chirurgen zum Krüppel gemacht
worden" sei. Nunmehr befand er sich in Brötzingen bei Pforzheim, wo er im
Hause des bereits erwähnten ehemaligen Lörracher Präzeptors Gaupp Zuflucht
gefunden hatte, der als dortiger Pfarrer die älteste Schwester des Unglücklichen
geheiratet hatte. Von Pforzheim aus besuchte Lorenz Tulla zur Durchführung
der notwendigen Kuren das Bad Langensteinbach, von Brötzingen aus dasjenige
in Wildbad. Zur Begründung seines Antrages berichtet er, daß er imstande sei,
mit Hilfe seiner Krücken zu gehen, wohin er wolle. Er habe nunmehr den Vorsatz
gefaßt, mit den ihm gebliebenen schwachen Kräften sich sein Brot selber zu verdienen
. Auch besitze er ein Vermögen von 200 fl., das Pfarrer Böhm, Binzen, als
sein Pfleger in Verwahrung habe, um dessen Freigabe aber er zur Eröffnung seiner
Egringer Krämerei nunmehr untertänigst bitte. Er glaube, daß er diesem
Berufe am ehesten gewachsen sei, da die schwerste und größte Arbeit darin nur

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