Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 114
(PDF, 52 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0116
In den fortwährenden Türkeneinfällen, die nach dem Fall von Konstantinopel
und der Vernichtungsschlacht des christlichen Heeres auf dem Amselfeld
und der Niederlage der ungarischen Streitmacht im Jahre 1526 in der
Schlacht bei Mohacz folgten und sich über zwei Jahrhunderte hinzogen, hatten die
Sachsen unter ihren selbstgewählten Führern, den Sachsengrafen, in manchen
Abwehrschlachten ihr Blut vergossen und schließlich solche Verluste
erlitten, daß der übrig gebliebene Bevölkerungsstand nicht mehr in der Lage
war, sein Land zu bauen, Zerstörtes wieder aufzurichten und die Ordnung wieder
herzustellen.

Aber warum wehrten sich die Sachsen so bis aufs Blut? Sie hatten große
Rechte. Das Land, auf dem sie siedelten, war der sogenannte „Königsboden",
auf dem nur der Sachse Wohnrecht hatte. Er konnte hier nach seiner Art leben,
richtete nach eigenen Gesetzen und sah den ungarischen Königsrichter nur einmal
im Jahr im Lande. Sie besaßen eigene Schulen, in der in deutscher Sprache unterrichtet
wurde. Die Organisation des öffentlichen Lebens war aus den Erfahrungen
und den Notwendigkeiten herausgewachsen. Kindergärten waren eine ständige
Einrichtung, darauf baute sich eine neunjährige Volksschule, danach traten die
jungen Menschen in die Verbände der „M agdschaft" und der „Knechtschaft
", die monatlich einmal zu Versammlungen zusammenkamen und solche
Mitglieder, die es an Haltung fehlen ließen, rügten. Mit der Verheiratung wuchsen
sie in den Verband der „Nachbarschaft" hinein, wobei darauf gesehen
wurde, daß alles Leben, auch das wirtschaftliche, nach Recht und Brauch des Sachsenvolkes
vor sich ging.

Sie besaßen eigene Genossenschaften, eigene Landwirtschaftsschulen
mit einem dreijährigen Ausbildungsgang; die Mädchen wurden
mit Gartenbau und Kleintierzucht vom Frühjahr bis in den Herbst in den Landwirtschaftsschulen
festgehalten; sie besaßen Gymnasien, aber keine Gewerbeschulen
. 1529 ging die ganze sächsische „Nation" zum evangelischen
Bekenntnis über. Ihr Reformator Johannes Honterus
war ein Schüler Martin Luthers; sie traten also im fernen Ungarn früher zum lutherischen
Glauben über als wir in Baden, die wir erst 1556 uns dazu bekannten. Das
Augsburger Bekenntnis war die Richtschnur ihres Glaubens und ihrer Lehre. Daher
wurden die beiden Buchstaben A. B. dem Schild jeder Schule beigefügt.

Jährlich einmal feierte die ganze Nation ihren „Sachsentag", eine ganze
Woche hindurch. Jede Organisationsform hatte ihren „Tag", die Genossenschaften,
die Schulen und Kirchen, die Frauenschaften, die Nachbarschaften, die Handwerke
usw. Den Schluß bildete ein großer Festzug, wobei alle Trachten der einzelnen
Landschaften des Königsbodens ihren Heimatschein stolz zur Schau trugen.

Hochzeiten wurden nur im Winter geschlossen; der
Sommer ließ dazu keine Zeit. Gastwirtschaften gab es nicht,
aber große Gemeindehäuser, in denen eine voll eingerichtete große
Küche eingebaut war. Hier fanden die Hochzeitsmahle statt, denn die Verwandtschaft
wurde eifrig gepflegt. Das Gemeindehaus besaß ein Lesezimmer mit deutschen
Zeitungen und deutscher Bibliothek, auch mit einem Gastzimmer für Besucher,
etwa aus dem Reich, also für „Deutschländer", wie man sagte.

Die Studenten besuchten zur wissenschaftlichen Ausbildung die Universität in
Wien, aber auch die in Marburg. Bei den Handwerkern war es ungeschriebenes
Gesetz, daß jeder Geselle einmal im Reiche gearbeitet
haben mußte für längere Zeit und daß er erst danach Meister werden konnte. Jeder
Lehrling wurde erst auf vierteljährliche Probe vom Meister angenommen; taugte er
nicht, dann wurde er sogleich entlassen. Der junge Mensch müsse das rechte Zeug
zum Handwerk in sich tragen; wo das nicht ist, kommt nichts Ersprießliches heraus.

114


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0116