Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
23.1961, Heft 1, Müllheim Baden.1961
Seite: 145
(PDF, 52 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0147
gewöhnlich ca. 24 Personen eingezwängt sind; wo Diebe, Betrüger, Vagabunden,
Holzfrevler pp. immer ab und zu gehen und öfters die Folgen ihrer Unreinlichkeit
und Unsauberkeit bei denen, die bleiben müssen, zurücklassen. . ."

Ende Oktober 1849 stellten die Standgerichte zwar ihre Tätigkeit ein, doch
„dauerten der Kriegszustand und das Standrecht fort, so daß die ganze Milderung
in der Ersetzung der außerordentlichen Standgerichte durch ordentliche bestand".
Das zeigte sich alsbald in den harten Urteilen des für Müllheim zuständigen Hofgerichts
zu Freiburg. Beispielsweise wurde dort der Rechtspraktikant R e i s k y ,
der nach der Flucht des Oberamtmanns Kuen das Amt des Zivilkommissärs übernommen
und, mit schwarz-rot-goldener Schärpe geschmückt, auf dem Amte die
Verwaltung geführt hatte, zu einer gemeinen Zuchthausstrafe von neun Jahren
verurteilt. Sein Verteidiger, der damalige Rechtspraktikant und später bekannte
Rechtsanwalt Fehrenbach in Freiburg, legte gegen dieses Urteil
Rekurs ein. Vor allem konnte er sich dabei auf die günstigen Urteile vieler Bürgermeister
des Bezirks Müllheim und ihrer Gemeinderäte beziehen. Sie bescheinigten
seinem Klienten, daß dieser sein Amt überall mit Gerechtigkeit und Milde ausgeübt
habe, es sei sogar, so wurde ausgesagt, ein Glück für den Bezirk Müllheim gewesen,
daß er diesen und keinen anderen Zivilkommissär gehabt hätte. Aber alle Liebesmühe
nutzte dem Rechtspraktikanten Fehrenbach nichts: das Mannheimer Oberhofgericht
bestätigte die neun Jahre gemeine Zuchthausstrafe. — Der schon erwähnte
Amtsrevisorats-Assistent Lattner, ein sanfter und durchaus nicht kriegerischer Mann,
der einmal die Unvorsichtigkeit begangen hatte, an einer Exkursion teilzunehmen,
wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Auch sein Rekurs nutzte ihm nichts. -
Der ebenfalls schon genannte Leonhard Friedrich Roggenburger aus Buggingen, ein
trefflicher, aufrechter Mann, wurde zu einer Arbeitshausstrafe von einem Jahr verurteilt
, weil er sich in einer Volksversammlung dahin ausgesprochen hatte, man solle
sich der neuen Wendung der Dinge anschließen. - Dr. Adrian Elsäßer aus Auggen,
der in der Kittlerschen Wirtschaft in Müllheim in Weinlaune unüberlegte Bemerkungen
gemacht hatte, wurde ebenfalls zu einer Arbeitshausstrafe von einem Jahr
sechs Monate verurteilt. Der ganze Auggener Gemeinderat und besonders auch
Friedrich Krafft-Blankenhorn, Johann Krafft und der Altbürgermeister Johann
Jakob Kurz von Auggen suchten durch ihre günstigen Aussagen wacker ihren Doktor
herauszuhauen; sie konnten aber nicht verhindern, daß Dr. Elsäßer in Bruchsal
Wolle spinnen mußte. - Siebzehn Angeklagte aus Kandern, an ihrer Spitze der
praktische Arzt Karl Senn, die sich an einem nächtlichen Krawall gegen die „Aristokraten
" beteiligt hatten, wurden alle zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr
bis zu zweieinhalb Jahren verurteilt, usw., usw.

Infolge solcher Urteile und durch den Druck der Besatzung herrschte bald
überall in Baden Ruhe. Auch in Müllheim, das von den Jahren 1848/49 und ihren
Folgen nicht sehr sanft angestoßen war. Sein Chronist A. J. Sievert weiß zu berichten
, daß das Städtchen infolge der durch die vielen Einquartierungen entstandenen
Kosten - für die Kavallerie mußten beispielsweise große Mengen Heu und Hafer
herbeigeschafft werden — hier und in Basel Gelder aufnehmen mußte. Obendrein
stand Müllheim bei dem fremden Militär offenbar nicht in bestem Rufe. Ein preußischer
Generalstabsoffizier bezeichnete damals in der „Deutschen Rundschau" inmitten
einer Schilderung der prächtigen Landschaft Südbadens das Städtchen Müllheim
als „eines der bekanntesten radikalen Nester".

Über 80 000 Menschen sollen 1848/49 und in den folgenden Hungerjahren aus
Baden ihr Heil in der Flucht und Auswanderung über den großen Teich gesucht
haben. Diese in der Mehrzahl tatkräftigen, den Gedanken der Zeit offenen Männer
fehlten dem badischen Staate in seiner Entwicklung nach den Aufstandsjahren
außerordentlich.

145


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0147