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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
26.1964, Heft 1.1964
Seite: 28
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1964-01/0030
Kanderner Familienschicksale

im Spiegel der Ein- und Auswanderung im 19. Jahrhundert
Von Albert Eisele, Kandern

Ehe von der Auswanderung nach Amerika oder nach Siebenbürgen die Rede
sein soll, möchte zunächst daran erinnert werden, wie unsere Vorfahren vor hundert
Jahren noch unter den engen Grenzen der Kleinstaaterei zu leiden hatten. Einzelschicksale
sind es; aber die darunter zu leiden hatten, die lassen uns ihre Sehnsucht
nach einem einigen Deutschland verstehen.

Der Hammerschmied Jakob Riegerd zu Kandern wollte 1774 seinem Sohn, dem
Weißgerber, ein Gerbhäuslein erbauen. Da er keinen anderen Platz bekam, wollte
er es auf das herrschaftliche Gut oberhalb der Hammerschmiede stellen, was der
Herr von Stetten befürwortete. Auch die Gemeinde hatte nichts einzuwenden; sie
wies aber darauf hin, daß Riegerd weder Bürger noch Hintersaß sei. Daraufhin
erklärte die Fürstliche Rentkammer, der Weißgerber Riegerd müsse erst Bürger
oder Hintersaß werden. Nun griff aber der Vater ein: Sein Sohn sei kein fremder,
zugelaufener Mensch, wie man meinen könne; er sei hier geboren und 31 Jahre alt.
Zwölf Jahre sei er in der Fremde gewandert und erhalte nach dem Tode seiner
Eltern ein eigen Haus und Hof. Schon die Urgroßeltern seien seit undenklichen
Jahren hier leibeigene Landeskinder gewesen und hätten gnädigster Herrschaft auf
dem Bergwerk gedient als Hammerschmiede. Weil aber die Hammerschmiede nach
dem Verlangen der Herrschaft bald in Kandern, bald in Oberweiler oder Hausen
hätte arbeiten müssen, so hätten sie sich nicht an einem Orte können bürgerlich
niederlassen. „Dieserwegen dann allergnädigste Herrschaft auf allen hiesigen Bergwerken
denen Arbeitern die Gnade angedeien lassen, den Waidgang wie ein
Bürger zu genießen und dadurch so viel als wie bürgerlich recht zu verstehen."

Die beiden Gesetze aus dem Jahre 1831 über Verfassung und Verwaltung der
Gemeinden und über die Erwerbung des Bürgerrechts gaben den Bergleuten gewisse
Sonderrechte, auf die Riegerd anspielt. Der Bürger konnte an der Wahl der Gemeindebeamten
teilnehmen und selbst gewählt werden, der Hintersaß nicht. Der
Bürger hatte Teil an der Allmend, der Hintersaß nicht (das ist es, was Riegerd
meint mit dem „bürgerlich recht" beim „Waidgang"). Der Bürger mußte aber auch
Frondienste leisten und zahlte die Schätzungen; der Hintersaß entrichtete nur alljährlich
ein Schutzgeld. Auch der Bergmann war von der Fronpflicht befreit. Diese
Ausnahmen für die Bergleute waren notwendig, weil man sonst keine Facharbeiter
ins Land bekommen hätte. So aber kamen Bergleute aus Tirol, Hammerschmiede
aus Sachsen und Büchsenmacher aus Thüringen. Natürlich konnte der junge Riegerd
hier bürgerlich werden, wenn er lange genug hier gewohnt und die Gebühren entrichtet
hätte. Der Hintersaß war also nicht mit einem armen Manne gleichzusetzen;
er hatte Haus und Hof und Feld und Reben wie jeder Bürger.

Wie diese Dinge manchmal in eine Familie eingreifen, zeigt nachstehendes Beispiel
: 1837 wurde Johann Georg Wildenstein, der hiesige Bürgersohn, als Bürger
angenommen, gleichzeitig seine Braut, die hiesige Bürgerstochter Anna Maria Mono.
Das Bürgerbuch vermerkt dazu: Da die Mutter des Wildenstein nicht bürgerlich,
da ihr Vater nur Hintersaß gewesen, haben die Kinder nur Schutzbürgerrecht. Sie
mußten sich also einkaufen. 1861 verunglückte der Maurer Johann Georg Wildenstein
in Riedlingen durch einen Sturz vom Wagen. Die Witwe stand mit ihrem
Kind allein da. Wildensteins Gehilfe, der Steinhauer Hermann Wendel, wollte sie
heiraten. Aber da er von Stockstadt in Hessen stammte, mußte die Regierung erst
die Genehmigung geben, daß er sich hier bürgerlich niederlassen konnte.

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