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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1967-02/0060
Professor Dr. Johannes Künzig zum 70. Geburtstag

In seiner alemannischen Wahlheimat, Freiburg im Breisgau, vollendete am
28. Juni d. J. Prof. Dr. Johannes Künzig, Leiter und Gründer der „Badischen
Landesstelle für Volkskunde" sowie des für den gesamten Bereich der Bundesrepublik
geschaffenen „Instituts für ostdeutsche Volkskunde", sein 70. Lebensjahr.

Bauernsohn in Pülfringen, Kr. Tauberbischofsheim, im badischen Frankenland geboren
, erlebte der Neunzehnjährige von der Schulbank weg den ersten Weltkrieg und
wurde vor Verdun verwundet. In den Materialschlachten an der Somme und in der
Champagne erfuhr der junge Freiwillige die gemeinschaftsbildende Kraft des Liedes, und
aus diesem Erlebnis erwuchs seine erste Liedsammlung, welche er 1927 veröffentlichte
unter dem Titel „Die Lieder der badischen Soldaten — den toten und lebenden Kamera-
vom I. Bad. Leibgrenadierregiment 109 gewidmet".

In Würzburg, Freiburg und Heidelberg studierte Künzig Germanistik, Geschichte und
Volkskunde. Als Schüler von Friedrich Panzer promovierte er 1922 mit einer Arbeit zur
„Geschichte des Volkslied-Interesses in Baden seit der Romantik". Die dabei erarbeitete,
umfassende Bibliographie aller bis dahin in Baden belegten und aufgezeichneten Volkslieder
bildete den Grundstock für das 1924 begründete „Badische Volksliederarchiv", das
als Landesstelle des von seinem hochgeschätzten Lehrer John Meier geleiteten „Deutschen
Volkslied-Archivs" aufgebaut wurde.

1923 gab Künzig zwischen Doktor- und Staatsexamen seine erste Sagensammlung
heraus, wobei er weitgehend unveröffentlichtes Material benutzte. 1930 folgten, im Verlag
Diederichs, die „Schwarzwald-Sagen". Dieses mit einem breiten Anmerkungsteil versehene
, nach entwicklungsgeschichtlichen und quellenkritischen Methoden erarbeitete Werk
gilt noch heute als eine der umfassendsten landschaftlichen Sagensammlungen. 1965 erschien
eine Neuauflage im gleichen Verlag. Um die ungeheure Vielfalt variierender Sagenüberlieferung
in einer überschaubaren Gliederung typologisch zu ordnen, erarbeitete
Künzig in mehrjährigen Studien ein „Typensystem der deutschen Sage". Dies bildete den
Hauptteil seiner Habilitationsschrift „Entwicklungsgeschichte und Grundformen der deutschen
Volkssage". 1943 erschien in reicher Ausstattung eine Sammlung von Märchen und
Schwänken aus den Oberrheinlanden „Unser Ätti erzählt".

Aber nicht nur Volkslied- und Erzählforschung beschäftigten den unermüdlichen
Sammler. In einer Vielzahl von Aufsätzen legte er seine Erfahrungen und Erkenntnisse
aus den Bereichen Volkstanz, Tracht und vor allem Brauchtum nieder. Darüber hinaus
lieferte er Fachbeiträge für das „Handwörterbuch des Aberglaubens", arbeitete mit am
„Handwörterbuch des Märchens" und am „Lexikon der Pädagogik der Gegenwart" und
bearbeitete 400 Stichworte für den „Großen Herder".

Das volkskundliche Interesse Künzigs beschränkte sich nicht auf den deutschen Südwesten
. Um das Schicksal der badischen Landsleute zu ergründen, die im 18. Jahrhundert
im Südosten und Osten siedelten, besuchte er auf 10 Studienfahrten die sogenannten
Donauschwaben im Banat, der Batschka und der Schwäbischen Türkei, sowie die Siebenbürger
Sachsen. In der Ukraine traf er die rein deutschen Dörfer Baden, Durlach, Karlsruhe
, Mannheim, Rastatt usw. an. Die Ergebnisse dieser Fahrten publizierte er in zahlreichen
Aufsätzen. Eine weitere Liedsammlung „Deutsche Volkslieder aus dem rumänischen
Banat" erschien in der Reihe der landschaftlichen Volkslieder des Deutschen Volkslied
-Archivs. Zusammen mit Hans Retzlaff veröffentlichte er den reich bebilderten Band
„Deutsche Bauern im Banat", sowie weitere Bildhefte über Siebenbürgen, die Schwäbische
Türkei und das Banat. 1937 konnte er der Gemeinde Saderlach zum 200jährigen Ansiedlerjubiläum
die Ortsmonographie „Saderlach — ein Alemannendorf im rumänischen
Banat" als Geschenk der Urheimat überreichen.

Langjährige Archivstudien widmete Künzig der Auswandererforschung. Zusammen
mit Karl Seith — zunächst arbeiteten beide Forscher unabhängig voneinander — stellte
er Listen der „Auswanderung aus dem Markgräflerland nach Siebenbürgen in den Jahren
1742—1751" zusammen1). Umfangreiche Materialsammlungen zur Frage der Auswanderung
nach Rußland wurden erarbeitet.

Neben diesem Hauptanliegen, dem Sammeln und Forschen im Bereich der Volksüberlieferung
, war Künzig beruflich zunächst in Freiburg und dann in Lahr im höheren Schul-

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