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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1969-01/0023
Hebels Traum

In seiner Stube unter der Lampe saß
Johann Peter Hebel und schrieb und las.
Die Sterne drauß' funkelten frosthaft klar,
Kalt blies ans Fenster der Januar.
Die Buchscheite prasselten im Kamin. —
Sorglich setzte er Buchstab' für Buchstab' hin,
Ein gelehrt' Memorandum auszuhecken.
Doch wie er sich mühte, es wollte nicht flecken!

Unwillig schob er beiseit Folianten und Predigttext.
Stube, Schreibsei und Buch schienen gar verhext,
Gaben kein Tröpflein Freude und Seelenlust.
Ein tiefes Weh, das quälte in seiner Brust
Und brannte nun schon so manches Jahr,
Seit der Knab' aus der Heimat gegangen war,
Und brannte weiter in heimlichem Schmerz:
Heimwegs träumte mit jedem Schlage das Herz!

Sinnend neigt er die Stirn in die Hände
Und sah hinab in einen Brunnen tief,
Darin seine wilde Knabenzeit schlief.
Da weiteten heimlich sich um ihn die Wände,
Wuchsen zu Rebenhügeln, zu Äckern und Feldern.
Der Belchen, der Blauen mit Matten und Wäldern
Und abwärts die Täler, die Wiese, der Rhein
Grüßten vertraut in die Stube herein.

Aufsprang in seiner Brust ein lauterer Quell.

Seine Augen schauten fröhlich und knabenhell

Alle Orte und Winkel, alle Wege, die er gegangen,

Sahen das Land in Blust und Früchten prangen,

Den schlohweißen Kirschbaum, umsummt von Käfern und Bienen,

Und, von der Sonntagssonne hell überschienen,

Das Basler Münster und Hausen im Tal

Und augenweit: Heimat! Heimat rings überall!

Da nahm er sie alle mit fröhlicher Hand,

Die Hügel und Berge, die Städte, das Land

Mit Webern und Ackersleuten, den Mägden und Knechten,

Die Gattigen, Guten, die Schlimmen und Schlechten;

Wie ein Spielzeug, artig und wundergroß,

Hob er sich's lächelnd hin auf den Schoß,

Daß nichts sich verlier' aus dem bunten Gewimmel,

wölbte er drüber den Sternenhimmel. —

In seiner Stube unter der Lampe dämmrigem Schein

Sah Hebel seligen Aug's in die Heimat hinein

Und lauschte, wie aus heimlichen Gründen

Eine Stimme ihn rief, ihr Lob zu verkünden.

Die Zeit war erfüllt, zu singen, zu sagen,

Was er leblang im Herzen getragen

Und tief im Volk jahrhundertalt blüht.

Hebel hob an und sang der Heimat ewiges Lied!

Walter Franke

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