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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
31.1969, Heft 2/3.1969
Seite: 71
(PDF, 16 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1969-02-03/0009
Optimistin im Pessimismus
Gertrud Fußenegger Hebelpreisträgerin 1969

Der Baden-Württembergische Staatliche Johann-Peter-Hebel-Preis ist anläßlich
des 209. Geburtstages des Dichters am 10. Mai in Hausen verliehen worden. Mit
ihm wurde die Dichterin Gertrud Fußenegger ausgezeichnet. Im Jahre 1956 wurde
der Preis erstmals einer Frau zuerkannt, Lina Kromer, der in Obereggenen im
Markgräflerland geborenen und lebenden Schöpferin feinsinniger, bewundernswerter
alemannischer wie hochdeutscher Gedichte. Sie wird im September d. J.
80 Jahre alt.

Die zweite Hebelpreisträgerin, Gertrud Fußenegger, erblickte am 8. Mai 1912
in Pilsen das Licht der Welt. Der Vater, Offizier, stammt aus Vorarlberg, während
die Mutter in Böhmen beheimatet ist. Nach den Kriegsjahren 1914—1918 ließ
sich die Familie in Tirol nieder. In Innsbruck widmete sich Gertrud Fußenegger
historischen, kunstgeschichtlichen und philosophischen Studien, nach deren Abschluß
sie zum Dr. phil. promovierte. Als Roman aus deutscher Frühzeit erschien
1941 ihr Buch „Geschlecht im Advent", das bereits die geborene, aus dem Vollen
schöpfende Erzählerin bezeugt. Für das 1951 veröffentlichte Buch „Die Brüder
von Lasawa" erhielt sie den Adalbert-Stifter-Preis, zehn Jahre danach für „Das
verschüttete Antlitz" den ostdeutschen Literaturpreis. Den deutschen Rückwanderern
eignete Gertrud Fußenegger den Roman „Die Leute von Fatbeson" zu.
Verheiratet ist die Dichterin mit dem Bildhauer Aloys Dorn. Sie ist Mutter von
fünf Kindern und lebt heute in Leonding, unweit von Linz an der Donau. Sie
bezeichnete sich gelegentlich als „Optimistin im Pessimismus" und sieht im
künstlerischen Schaffen ein Naturgeschehen, das an die Mutterschaft erinnere und
sich für sie als bereichernd und beglückend erweise.

In diesem Zusammenhang kann auf die stattliche Reihe der Bücher Gertrud
Fußeneggers im einzelnen nicht eingegangen werden. Einige Titel seien noch herausgegriffen
: „Die Pulvermühle", „Mohrenlegende", „Die Nachtwache am Weiher
", Erzählungen, unter denen die von köstlichem Humor überrieselte Kurzgeschichte
„Das Zimmer" besonders erwähnt zu werden verdient. Zwei Hauptwerke
haben der Dichterin bedeutungsvolle Geltung erworben: „Das Haus der
dunklen Krüge" und „Zeit des Raben, Zeit der Taube". In beiden, den Leser
stark bewegenden Schöpfungen bewundert man — wie die Autorin es selbst einmal
ausdrückt — die „mäandrischen Gänge" der Erzählung, die Sicherheit, mit
der sie die Handlung, überreich an Gestalten, beherrscht und zu Ende führt. Vom
„Haus der dunklen Krüge" sagte Gertrud Fußenegger, es sei das „Haus der Vergangenheit
". Die dichte Schilderung wirrer Eheschicksale, Aufstiegs und Niedergangs
, selbstverschuldet und unverdient, vor dem Hintergrund böhmisch-altösterreichischer
Bürgerlichkeit, schlägt den Leser in Bann bis zum letzten Satz.

Im Roman „Zeit des Raben, Zeit der Taube", dessen Thematik die Kritik
vielfach als kühn bezeichnet hat, kennzeichnet die Dichterin den Lebenslauf zweier
Gestalten, die von- und umeinander nichts wissen und als „Schlüsselfiguren" angesehen
werden müssen: Leon Bloy (1846—1917), der katholische französische
Schriftsteller, der das Kommen eines neuen Reiches Gottes erhofft und ankündigt,
und die in Warschau geborene und aufgewachsene Marie Sklodowsky (1869—
1937), die in Paris sich mit Pierre Curie verheiratete, die ruhmvolle Entdeckerin
des Radiums und mit ihrem Gatten Nobelpreisträgerin. Das Kind der Curies verläuft
sich in Paris und wird von Leon Bloy, der es zufällig findet und seiner sich
annimmt, den Eltern zurückgebracht, ohne daß es freilich zu mehr als einer zufälligen
Begegnung zwischen ihm und den Eltern des Mädchens kommt. Auch in
diesem Buch bewundert man Gertrud Fußeneggers reife, grandiose Darstellungsgabe
.

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