Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
32.1970, Heft 2/3.1970
Seite: 78
(PDF, 15 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1970-02-03/0006
tohtarinchova = Tumringen?

Ein spracbgeschichtlicber Einwand gegen die 1200-Jahr-Feier 1967

von Inge G u 1 a

Im Jahre 767 verkaufte der alemannische Graf Chrodhard dem Abt Fulrad
von Saint Denis bei Paris einige Dörfer im Breisgau, darunter eines, das in der
Urkunde „tohtarinchova" genannt wird. Dieses tohtarinchova führt Krieger in
seinem „Topographischen Wörterbuch des Großherzogtums Baden" als ersten
Beleg für die Existenz Tumringens an, allerdings in der falschen Lesart ton-
tarinchova x) Somit bürgerte sich die Auffassung ein, tohtarinchova und Tumringen
seien identisch, und somit lag es nahe, 1967 in Tumringen eine 1200-Jahr-
Feier zu veranstalten, so wie es auch Binzen und andere in der Urkunde von 767
erwähnte Orte taten.

Nun hatte schon 1944 Erika Schillinger in ihrer Dissertation über die Siedlungsgeschichte
des Breisgaus bezweifelt, daß Tumringen mit „Tontarinchova" —
sie verwendet die alte Lesart von Krieger — identisch sei2). Ihre Vermutung läßt
sich durch einige sprachgeschichtliche Beobachtungen erhärten.

1. Lassen wir den Namen tohtarinchova (zu lesen: Tochtar . .) die gleiche Entwicklung
wie andere Namen und Wörter durchmachen, so würde der Name
heute Tochtringen, in der Mundart Tochtrige, aber niemals Tumringen lauten.
Es ist nicht möglich, daß ein ch im Lauf der sprachlichen Entwicklung zu m
wird. Das h, weches ch gesprochen wird, ist aber in der Handschrift so deutlich
zu erkennen, daß die Kriegersche Schreibart „tontarinchova" wohl eher auf
einem Druck- als einem Lesefehler beruht.

2. Krieger deutet tontarinchova als „bei den Angehörigen des Tontarinc". Als
sich die richtige Lesart durchsetzte, machte man aus Tontarinc kurzerhand
einen Tohtarinc oder Tohtar3). Kein germanisch-deutsches Namenwörterbuch
führt aber einen solchen oder auch nur entfernt ähnlichen Personennamen auf.
Krieger übersah, daß das Grundwort von tohtarinchova -inghofen, nicht -hofen
lautet. Als Bestimmungswort bleibt also tohtar = Tochter übrig. Ähnliche
Namen finden sich in der Schweiz: So bedeutet beispielsweise Surbein, das aus
sourvilier entstanden ist, „Weiler der Schwestern" 4).

3. Wir können tohtarinchova also zerlegen in tohtar und -inchova. Dieses Grundwort
ist die latinisierte Form des deutschen -inghofen. Es ist auch im
Markgräflerland sehr häufig, nur kann man es heute nicht mehr erkennen. Die
-inghofen-Namen enden heute genauso wie die -ingen-Namen in der Mundart
auf -ige und werden heute auch mit der Endung -ingen geschrieben. Verfolgen
wir beispielsweise die Entwicklung des Namens Tüllingen!5) 1179 heißt der
Ort „Tullinchovin", 1275 ist das Grundwort zusammengeschrumpft, der Ort
heißt jetzt Tullichon oder 1288 Tullikon, und im 15. Jahrhundert wird daraus
schließlich „Tüllicken". Ebenso verläuft die Entwicklung des Namens Witt-
lingen: 874 Witringhove, 1275 Witelichon, 1286 Wettilingen. Aber noch 1464
taucht die Endung -kon auf. Rümmingen, das in der gleichen Urkunde wie
tohtarinchova als „romaninchova" erscheint, behält die Endung -kon bis 1465.
Im gleichen Jahr heißt es urkundlich auch erstmals „Rümiken". Es läßt sich
also feststellen, daß -inghofen-Orte bis ins späte Mittelalter die Endung -chon
oder -kon behalten und sie erst dann zu -ken oder -gen abschleifen. Eine einzige
Ausnahme aus unserem Gebiet bildet eine Erwähnung von „Ottelingen"
= Otlingen aus dem Jahr 843, obwohl Otlingen ein -inghofen-Ort ist, wie
knapp zwei Dutzend Belege mit den Endungen -chon oder -kon zwischen 1064
und 1410 beweisen, und erst 1472 taucht dann wieder ein Beleg mit „e" in

78


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1970-02-03/0006