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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
32.1970, Heft 2/3.1970
Seite: 119
(PDF, 15 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1970-02-03/0047
Viele Wirtschaften — Hebels Wirtschaften: Da reden Bauern und Städter über
Politik, über Napoleon und die Preußen, da erzählen Reisende und Kaufleute von
fernen Ländern und unglaublichen Abenteuern im Mittelmeer und in Indien, da
predigen Kalendermann und Adjunkt vom Stuhl herab Moral und gute Sitten.
Und manchmal stibitzt einer ein paar Löffel oder haut den Wirt übers Ohr, und
wir freuen uns mit — so schlimm war das ja gar nicht! Eine gemächliche Zeit, eine
gemütliche Welt, ein geruhsames Leben. So könnte man meinen. Stimmt das?

Wir bedauern uns, wir klagen über die Hetze der Zeit, über die Unsicherheit
des Lebens, über die Bedrohung durch Revolutionen und Kriege. Und wir trauern
den guten, alten Zeiten nach. Aber der Schein trügt.

Auch Hebel lebte nicht gesichert, auch er mußte vor Krieg und Zerstörung
fliehen, auch er erlebte Revolution und Kriege, Veränderungen, Zusammenbruch,
Kursverluste, Bankrott, frühen Tod und Leid in vielerlei Gestalt. Aber in seinen
Erzählungen grollt es nur von ferne, nur ein Widerschein erleuchtet einzelne Verszeilen
seiner Gedichte. Hebel läßt vieles, was häßlich, traurig und abstoßend an
seiner Zeit war, aus seinem Werk heraus. Goethe meinte, Hebel „verbauere" das
ganze Universum. Wir wissen, daß Hebels Werk nicht ohne Tiefen ist und nicht
ganz so harmlos, wie viele glauben. Aber zunächst scheint alles hübsch, verschroben
, liebenswert. So erscheinen uns vielleicht auch alte Städtchen mit Tortürmen,
Fachwerkhäusern und engen Gäßchen. Hebels Welt ist ein Universum, aus Dörfern
mit Sonderlingen aufgebaut, eben ein verbauertes Universum. Zu dieser Welt
gehören auch die Wirtschaften in seiner Dichtung, in denen diskutiert und politisiert
, gemordet, betrogen und belehrt wird, vor denen Sinnierer zum Sternenhimmel
aufschauen: ein Mikrokosmos, ein Abbild der großen Welt. Hebel lebte in
Wirtschaften — seine Wirtschaften leben in seinem Werk weiter.

Das diamantene Kreuz

Betrachtung zu einer Kalendergeschichte auf Hebel-Art
von Dr. W. Reimer

Vor mir liegt, überkommen aus altem Familienbesitz, ein etwas abgegriffenes
und vergilbtes Büchlein, einer alten Broschüre nicht unähnlich. Sein Titel lautet
„Der Badische Hausfreund für das Jahr 1842". Auf der Mitte dieser ersten
Umschlagseite ist eine Zeichnung des Freiburger Münsters zu sehen, „von Abend
gen Morgen erbauet", darüber die großherzogliche Krone. Das Bild des Münsters
wird flankiert von den Symbolen des „Leblandes", von Ähre und Rebe. Gedruckt
und verlegt wurde dieser Kalender, der trotz seiner Unscheinbarkeit doch auch
ehrwürdig wirkt, von Karl Gross in Heidelberg. Blättert man eine Weile drin,
so wird man gewahr, daß sein Inhalt und dessen Abfolge durchaus seinem biedermeierlich
getönten Zweck entspricht, dem „Bürger und Landmann" einen unaufdringlich
belehrenden und harmlos unterhaltenden Almanach-Lesestoff zu bieten,
so wie das damals, also in der „guten, alten Zeit", landauf, landab zu geschehen
pflegte. Im Mittelpunkt stehen ein paar Kalendergeschichten, durchweg ohne
Angabe des Autorennamens, wie das gang und gäbe war. Eine von ihnen wird
hier nachgedruckt; wir werden dann sehen, warum gerade diese:

„Das diamantene Kreuz"

Der Adlerwirth zu Segringen sitzt gerade am Tische und will zu Mittag essen,
als eine Peitsche knallt und eine Chaise in den Hof fährt.

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