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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
33.1971, Heft 1/2.1971
Seite: 96
(PDF, 20 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1971-01-02/0098
Zwei alemannische Dichter grüßen sich
Hermann Burte und Georg Thürer

von Magdalena N e f f

Hermann Burte, der Dichter der „Madlee", und Georg Thürer, der ostschweizerische
Dichter, für dessen Schaffen die urwüchsige Glarner Mundart das Hauptelement ist, begegneten
sich erst spät. Doch bekennt der um dreißig Jahre jüngere Schweizer Dichter, daß
ihn die alemannische Sprachkunst Hermann Burtes schon in jungen Jahren stark beeindruckte
. Die Erhaltung und Förderung der Mundart ist ein großes Anliegen Georg Thürers,
der als Professor für deutsche Sprache und Literatur und für Schweizer Geschichte an der
Hochschule St. Gallen wirkt. Durch sein reiches dichterisches Werk (Gedichte, Schauspiele
und Erzählungen) und durch seine Schriften, wie z. B. „Wesen und Würde der Mundart",
und den von ihm herausgegebenen Sammelband alemannischer Dichtung, „Holderbluescht"
(1962), hat er selbst Wesentliches zu diesem Ziel beigetragen.

Die nachfolgenden Briefe (Auswahl), zu deren Abdruck uns Professor Thürer freundlicherweise
ermächtigt hat, zeugen von der Freundschaft zwischen den beiden alemannischen
Dichtern, wie sie aus der Anerkennung und Bewunderung des gegenseitigen Schaffens im
letzten Lebensjahrzehnt Hermann Burtes noch entstehen konnte — auch über frühere
politische Gegensätze hinweg. Das Bekenntnis Georg Thürers, des Schweizers und erklärten
Gegners des totalitären Staates, zu dem Dichter Hermann Burte zählt in diesem Sinne
doppelt.

Efringen-Kirchen, den 20. Mai 1954

Lieber, verehrter Georg Thürer!

Seit ich Meinrad Lienerts „Schwäbelpfiifli" las, habe ich kein Mundartgedicht
mehr in die Hand bekommen, das mir einen so reinen und tiefen Eindruck machte
wie Ihr „Vrinelisgärtli". Ich muß dem ganz vortrefflichen Otto von Greyerz von
Herzen zustimmen — (der anno 1923 mir eine begeisterte Besprechung der „Madlee"
in den „Schweizer Monatsheften" schrieb) —, wenn er feststellt, daß Sie als Mundartdichter
eine Stufe und eine Art errungen haben, die Sie über die üblichen
Schöpfer dieses Genres hinaushebt. Ein Gedicht wie „Maarchelauf" ist so großgeartet
und so glücklich in einer einzigen Zeile kristallisiert, aus der herodotischen
Atmosphäre von Geschichte und Sage heraus, daß nur Staunen und Bewunderung
am Platze sind.

„Di eine händ der Bode, di andre händ der Held." Ihr „Maarchelauf" übertrifft
als Kunstwerk Romangs „Friesenweg", und das will viel heißen!

Virtuosität ist an sich nichts Verächtliches; wo sie geistig gestaltet und seelisch
trächtig ist wie bei Ihnen, ist sie als ein Fund und eine Gabe einzig und beglückend.
Natürlich hat ein Vers wie der: „'s ischt öbbe ne Mönsch uf Erde, daß ich möcht
bynem sy" eine unheimliche Suggestionskraft — aber der Melodie gehört der Löwenanteil
an dem unvergleichlichen Eindruck einer solchen Zeile.

Ihre Lyrik ist mittäglich, sonnenbeschienen, reinsichtig: Es ist etwas vom Geiste
der Schweizer Reformatoren darin, der, scheinbar den einfachen und alltäglichen
Dingen zugewendet, der Wahrheit der Dinge näherkommt als irgendeine andere
Geistesrichtung.

So hat es mich nun beglückt, daß ich Sie die Rede auf Stickelberger halten
hörte mit ihrem herrlichen Finale in der Glarner Mundart, eine einzigartige, einmalige
und wenig anderen mögliche Sache. Und nun lese ich Ihr Buch nicht nur,
sondern ich schwelge darin. Ihre unbedingte, spielende Beherrschung des Dialektes,
die geistesgegenwärtige Führung der Strophen, das antike Streben nach Kürze und
Schlagkraft entzückt mich, und ich denke daran, daß ich seinerzeit in meiner
„Madlee" ähnliche Ziele anstrebte; aber es scheint mir, daß Sie als der später

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