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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
34.1972, Heft 1/2.1972
Seite: 99
(PDF, 23 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1972-01-02/0101
Alban Spitz, der Maler und Poet des Dinkelbergs

von Willi Ferdinand Fischer

Das Haus in Unterminsein liegt so versteckt, daß Fremde es fast nicht finden.
Erst wenn sie einen von Tannen gesäumten Hügel erstiegen haben, sehen sie auf
das Dach, das im Sommer unter dem Laub verschwindet, aus dem Alban Spitz,
der Ein-Wohner, dann kaum noch auf die Straße sieht, die tief unter ihm von
Schopfheim nach Rheinfelden führt. Er will sie gar nicht sehen. Die Natur ist
ihm wichtiger als das Menschentreiben da unten, denn mit ihr hält er Zwiesprache,
mit ihr und seiner Kunst, und wenn es nach ihm ginge, wären die Meisen vor
dem Fenster wohl wichtiger als ein Auto, der Gottruf der Amsel wichtiger als
Radio und Fernsehen. Wäre seine Frau nicht um ihn, müßte man ihn für einen
Eremiten halten, dem es darum geht, das eigene Wesen auszuloten und auszuweiten
, Lebenserfahrung, d.h. das Erfahren des Lebens in und mit der Natur des
Dinkelbergs zu destillieren und in Sprüche der Erfahrung und, wenn es sein darf,
der Weisheit zu pressen und — in Holz zu schneiden.

Es ist eine von der Zeit überrollte Welt, die Alban Spitz sich in diesem
Refugium am Hügelhang geschaffen hat, eine letzte Insel der Romantik, ein
Vogelnest der Träume von verlorenem Glück, von Vergangenheit und Waldseligkeit
. Nicht, daß er dabei zum Nörgler und Bröseler geworden wäre, dem
die Gegenwart zum Hals heraushängen könnte! Nein, Alban, wie er seine Bilder
gern zeichnet, blickt mit hellen, lustigen Augen in die Welt, die für ihn die alemannische
Welt ist, deren Laute und Wörter er erlauscht und spricht und sammelt,
wenn er nicht gerade die geliebten Bäume, die Eiche, die Linde, die Tannen in
Holz schnitzt oder den formenreichen Dinkelberg mit seinen von Frühzeit raunenden
Stimmungen beobachtet und abkonterfeit.

Ihm, seinem Heimatberg, ist er verfallen, ihm versucht er seine Geheimnisse,
seine Geschichte, seine heimliche Sprache zu entlocken und bringt er seine Kunst
als Opfergabe dar, aber er feiert ihn nicht in hellen, leuchtenden Farben, sieht
ihn nicht in der lohenden Mittagssonne, unter dem ausglühenden Abendhimmel,
sondern unter der lichtschluckenden Wolkendecke trüber Tage, welche die Erdfarben
ohne verführerische, täuschende Aufhellungen zeigen, und vielleicht sucht
Alban Spitz diese Erdwahrheit, dies unverfälschte Bild ohne Glanz, vielleicht
entdeckt er in ihr das Wesen der Erde, erspäht er im Schimmerlosen den Schimmer
der verlorenen Urzeit.

Wie dem auch sei, er ist selig in sich selbst und stolz darauf, daß Adolf Glattacker
und Hermann Burte den Weg in seine Einsiedelei nicht gescheut haben, daß
sie bei ihm in der lauschigen Ecke saßen, die Künstler bei dem Künstler, der
Dichter bei dem Sinnierer und Verseschmied, der seine Beobachtungen umsetzt
in Reim und Bild, der mit seinem Berg so auf Du und Du steht, daß er in seine
graugrünen, grauschwarzen und erdfarbenen Bilder eingeht, seine Kuppen und
schwingenden Hänge, seine düsteren Tannen und seinen bleischweren Himmel
und selbst den steilen Weg zum Häusle des Malers preisgibt. Dem Heimlichen und
Unscheinbaren geht dieser groß gewachsene Mann mit dem langen Haar nach,
dem Gebüsch an der Halde, dem schwarzen Schatten der Tannen, dem Mond hinter
der kahlen Linde, die ihre Zweige wie Finger in die Nacht taucht, oder er
streift um die Burg Rötteln, durch das Degerfelder Tal, weltverloren und träumend
, unbekümmert um das Toben der Kunstrichtungen und entrückt in die
Natur, deren Werden und Vergehen ihn gelassen macht gegenüber den sich widerstreitenden
Forderungen des Tages.

Die Tannen jagen einen steilen Hang empor und haben Mühe, sich daran zu
klammern, aber Alban stützt sie und zeigt, wie mitreißend die Bewegung ist, die
in dem Zusammenspiel zwischen Hügel und Tannen steckt. In Hauenstein, der

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