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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
36.1974, Heft 1/2.1974
Seite: 114
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1974-01-02/0116
Zum Gedächtnis an Hoff mann von Fallersleben, den
Dichter des „Liedes der Deutschen" und seinen Besuch

im Wiesental i. J. 1843

Aus seinem Werk „Alemannische Gedichte und Grammatik"

Vorrede

„Ostern 1821 verließ ich die Universität Bonn und begab mich nach Holland,
um dort die altniederländische Litteratur näher kennen zu lernen. Ich fand in
Leiden die gastfreundlichste Aufnahme und blieb bis in den Spätherbst dort. Während
mich die niederländischen Sprachdenkmäler und Volkslieder fast ausschließlich
beschäftigten, lernte ich zuerst Hebel's allemannische Gedichte kennen. Ich ward
bald mit ihrer Form und ihrem Inhalte vertraut; je mehr ich in das Verständniß
eindrang, je größer ward der Genuß; ich freute mich bald nicht mehr allein daran,
ich wußte auch meine Leidener Freundinnen dafür zu gewinnen. Die Sprache
wurde mir nach und nach so geläufig, daß ich nun selbst anfing, mich darin
poetisch zu versuchen. Der Eindruck, den Hebel's liebliche Dichtungen auf mich
machten, war ein gewaltiger und nachhaltiger, so daß ich eine lange Zeit Alles was
mein Gemüth am meisten bewegte, am liebsten in der Hebel'sehen Sprache
wieder zu geben suchte. Es schien mir, als ob ich gewisse Gefühle, die ich nicht
offenbaren wollte und durfte, nur in dieser Sprache aussprechen könnte und
dürfte. Ich liebte, und fand keine schönere Sprache, worin ich Meieli besingen
konnte, als eben die des nie gesehenen Wiesenthals. Mich störte gar wenig, daß
mir als Norddeutschen von Jugend auf diese Sprache völlig fremd gewesen war,
daß ich sie von Niemand lernen und vorläufig nur aus Hebel schöpfen konnte.
Meine Freunde fanden es wunderlich, daß ich in einer fremden Mundart dichtete,
ja, sie meinten sogar, wem eine Mundart nicht angeboren, gleichsam zur Muttersprache
geworden sei, der könne sie nie erlernen, geschweige denn etwas darin
leisten. Ich entgegnete, daß ja auch das Hochdeutsche nicht meine Muttersprache
sei und ich es doch leidlich gelernt hätte, daß mir sogar durch das Altdeutsche das
Allemannische verständlicher und täglich lebendiger würde, und ich nicht begreifen
könnte, warum denn gerade die deutschen Mundarten etwas Patentiertes oder
Privilegiertes sein sollten; die deutsche Sprache und Poesie aller Zeiten und verschiedenen
deutschen Volksstämmen seien eben Gemeingut aller Deutschen.
Kurzum, ich ließ mich nicht irre machen, und studierte, seit ich wieder im Vaterlande
war, nur noch eifriger den Hebel, so wie denn auch Stalder's Dialektologie
und Idiotikon. Mitten in meinen ernsten Beschäftigungen suchte mich die Liebe
von neuem heim. Ich konnte Meieli nicht vergessen, und was ich von ihr gesungen
hatte, sang ich nun von einer neuen — ich nannte sie Rosegilge. Sie war noch ein
Kind, aber ich sah und fand in ihr schon alles Glück, was mir durch sie die
Zukunft geben sollte. Ich wußte dies wunderbare heimliche Liebesglück nicht
anders auszusprechen als eben wieder in allemannischer Sprache. Ich ging noch
weiter: zu dem was ich dichtete, suchte ich selbst Melodien zu schaffen. Ich sang
so lange, bis ich die Melodie einigen Freunden mittheilen konnte, und diese waren
dann immer bereitwillig, mir in Noten zu setzen was ich sang, denn ich kannte
damals wie heute keine Note. So entstanden im Verlaufe etwa dreier Jahre die
meisten meiner Lieder, die ich im Allemannischen dichtete.

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