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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
37.1975, Heft 3/4.1975
Seite: 334
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1975-03-04/0192
Die ersten Hefte sind leider nur Typoscript-Abzüge, aber das dritte Heft macht
schon einen recht respektablen Eindruck.

Heft 4 (1974) enthält als Kern einen eingehenden Bericht von Grodwohl über
Gommersdorf im mittleren Largtal und sein Bauernhaus (20 S.). Gommersdorf ist inzwischen
zum Mittelpunkt der Bauernhausforschung geworden. Es ist ein „alignement de
constructions assez representatif de l'architecture rurale sundgovienne". Die Gemarkung
umfaßt neben zwei Wüstungen (Diethausen und Haltingen) ein Gassendorf, zweigeteilt in
ein älteres Niederdorf und ein jüngeres Oberdorf. Das Niederdorf wurde nach dem
30jährigen Krieg wieder aufgebaut, mit Resten älterer Bebauung, aber die Bauernhöfe sind
aus dem 17./18. Jahrhundert. Im Oberdorf ist nichts älter als etwa Mitte des 18. Jahrhunderts
. Es handelt sich um eine Ausbauphase (vgl. Wittmann 1971) als Folge des
„demographischen Anwuchses" (Riether). Zwischen den beiden Dorfteilen liegt als
Pufferzone ein Bereich mit Gebäuden besonderer Dienstleistung von Einhaustyp, so die
Schmiede, das Dorfschäferhaus, die ölerei, die Kelterei, das Hexenhäuschen und eine
Kapelle. Eine Gruppe von Taglöhnerhäuschen bildet das Scharnier.

Der Bauernhof ist als Gehöft mit meist zwei getrennten Gebäuden angeordnet (ferme
dissociee, im Gegensatz zur ferme monobloc). Solche fermes monoblocs haben wir
noch in der Dorfmitte (vgl. oben). Das Wohnhaus steht traufseitig zur Straße, die Eingangstür
geht nach Süden, oft durch eine vorspringende Laube geschützt. Schweineställe
(vorwiegend nach 1825) schließen gegen den Hof ab. Der Misthaufen findet sich möglichst
weit entfernt zugleich von Wohnhaus und Straße, aber nie hinter den Ställen.

Reste von Steinhäusern des 16. Jahrhunderts sind vorhanden, womit bisherige Vorstellungen
(etwa Reinhard) verbessert werden. Vermutlich waren die Steinhäuser früher
zahlreich. Im Verein mit der ähnlichen Landschaft, so meint der Ref., ergibt sich damit eine
weitgehende Analogie zu den Dörfern in unserem Rebland.

Die Untersuchung kommt in Ansätzen zu einer Typologie des Sundgauer Bauernhauses.
Das Fachwerkhaus des 16. Jahrhunderts zeigt ein Rahmenwerk mit Firstbalken. Zwischen
1650 und 1680 baut man noch traditionell gotisch, die Pfosten durchgreifen beide Geschosse
. Noch zeigen sich die meist dreigekuppelten Fenster (fenetres triples), die mehr
hoch als breit sind, das mittlere meist überhöht. Vorhandene Verzierungen bleiben diskret
(Wellenbogenfenster). Die Technik ist noch „archaistisch". Für Grodwohl scheint das
wichtigste Ergebnis zu sein, daß jetzt der Steinbau zunächst sklavisch einfach in die Holzkonstruktion
„übersetzt" wird, es mangelt an Originalität.

Im 18. Jahrhundert beginnt der Einfluß des französischen Klassizismus (style classique).
es erfolgt der Übergang vom „maison-abri" zum „maison-facade". Die Fassade zeigt
symmetrisch verteilte Balken und Fenster, im Gefüge reichen die Pfosten nur noch bis zur
mittleren Setzschwelle, das Dach wird etwas abgewalmt, die Tendenz geht mehr zum
kubischen Baukörper. Grodwohl vermutet, neu zugewanderte Zimmerleute hätten diese
modernen Auffassungen mitgebracht, aber auch der Mangel an Werkleuten, wie sie bisher
zum Aufrichten der früher so hohen Pfostenkonstruktion nötig waren, habe mitgewirkt.
Endlich habe es wohl jetzt auch an so großen Stämmen gefehlt. Soziologisch bedeutet
dieser Vorgang den Umbruch einer bisher vielfach sich kollektiv verhaltenden Bauerngemeinschaft
in sich gegeneinander abgrenzende Sippengefüge (clans). Eine speziell im Sundgau
geübte „conjuration du celibat" (Zölibatsverschwörung) suchte durch ihre Heiratsverweigerung
die Erbteilung der Höfe zu verhindern, um damit den Besitz beisammen
zu halten.

Ein recht interessantes Detail ergab das Studium der Ziegel, die im Zuge der Restauration
beim Abdecken der alten Dächer zutage kamen. Es kam eine Sammlung von über
100 verschiedenen Ziegeln zusammen, darunter viele mit Dekor (6 Tafeln!): vertikale
Wellenlinien (mit dem Daumen gefertigt), dazu Fingerabdrücke wie Stern, Ähre, Tulpe,
Lilie. Viele Ziegel zeigen Daten. Unter den dekorlosen Ziegeln eines einzigen Daches
ließen sich mehr als 20 Typen feststellen. Grodwohl möchte sie alle einem Zieglerzentrum
zuschreiben und auf den Zeitraum 1721 bis 1819 eingrenzen. Für eine statistische Auswertung
und eine Typologie erscheint Riether der Bestand noch zu gering, zumal auch
verschieden alter Bestand im gleichen Dach dies erschwert. Es fehlt daher noch die Möglichkeit
einer analytisch-historischen Auswertung.

Das von Dannemarie kaum 1 km entfernte Gommersdorf weitete sich aus, zunächst
unter Erhaltung der überkommenen Gebäude, durch Bildung eines jeweils zweiten Hofes
durch ein neues Gebäude im rückwärtigen Baumgarten. Heute erfährt das Dorf eine
anarchische Verstädterung. Es entsteht eine ununterbrochene Agglomeration, die ein
„massacre du paysage" zur Folge hat und die autochthone Gemeinschaft zerstört.

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