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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 192
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0010
Dialekt und Schriftsprache

von Gerhard Hess

Wer als Redakteur einer Zeitschrift die Themata der Beiträge mit den Autoren
besprochen und formuliert hat, bewegt sich als Verfasser einer Einleitung auf
von ihm selbst vorbereitetem Boden. Seinen Freiheiten sind durch die Rücksicht
auf die vorgelegten Artikel wie durch die Aufgabe, deren Zusammenhang darzulegen
, Grenzen gesetzt. Wer den Auftrag erhält, eine Einführung zu schreiben,
ohne die Erwartung, daß er vorher von den Beiträgen mehr als die Titel kennt,
hat es einfacher. Er darf sich über die gesamte Thematik oder über Einzelfragen
Gedanken machen und sich mehr essayistisch als systematisch dazu äußern.

I.

Das Begriffspaar Dialekt und Schriftsprache meint das Verhältnis, in dem die
in einer Region gebräuchliche, ursprüngliche Umgangssprache und die Hochsprache
, die — aus einer Mundart entwickelt — als Umgangsidiom von allgemeiner
Verbindlichkeit in einem ganzen Sprachgebiet anerkannt ist, zueinander
stehen. Ein Dialekt kann wie das Niederländische zugleich Hochsprache als
mündliches und schriftliches Kommunikationsmittel sein. Er kann — wie in der
Schweiz und ähnlich ausgeprägt in deutschen Randgebieten — Umgangssprache
aller Bevölkerungsschichten sein, während die Hochsprache als Amts- und Schriftsprache
dient. Unter besonderen Umständen und in bestimmten Perioden kann
in solchen Bereichen die Mundart auch Literatursprache und damit auch Schriftsprache
werden.

Solche definitorischen Beschreibungen mögen zwar richtig sein, sie geben aber
keine Vorstellung vom dynamischen Charakter der Prozesse als der eigentlichen,
d. h. geschichtlichen Realität dieser Sprachverhältnisse. Sie geben keine Auskunft
über den die vergangenen 150 Jahre bestimmenden Vorgang der allmählichen
Verdrängung der Dialekte, vor allem als Folge der Verstädterung, der zentralisti-
schen Tendenzen der Verwaltung, der Zunahme und Beschleunigung des Verkehrs
und zuletzt der Vorherrschaft der Medien. Sie erklären auch nicht die
wechselvollen Schicksale der Dialektliteratur, die durch die Fragen ästhetischer
Wertung kompliziert werden. Sie ignorieren den Anteil bewußter Aktivitäten,
die mit politischen und gesellschaftlichen Motiven der abnehmenden Geltung
und Verbreitung der Mundarten entgegenzuwirken suchen. Sie berücksichtigen
schließlich nicht historisch-geographische Umstände, die z. B. in den Randgebieten
auch heute noch günstigere Bedingungen für die Erhaltung der Dialekte schaffen:
So kann es kein Zufall sein, daß Werke in der Mundart von literarischem Rang
gerade im hochalemannischen und im plattdeutschen Gebiet entstanden sind, mit
beachtenswerten Unterschieden zwischen Poesie und erzählender Prosa.

Von allen diesen Vorgängen ist das Zurückdrängen des gesprochenen Dialekts
durch die Hochsprache am schwersten faßbar; erst neuere Methoden (Schnitte in
zeitlichen Abständen) ersetzen Schätzung und Vermutung durch annähernde wissenschaftliche
Zuverlässigkeit. Umgekehrt ist es die Dialektliteratur, wie sie
aus dem 19. und 20. Jahrhundert gedruckt vorliegt, die es erlaubt, Veränderungen
zu analysieren und darzustellen, insbesondere wenn die Autoren sich begründend
und erklärend zu ihrem Vorhaben äußern. Eine Mittelstellung an Durchsichtigkeit
nehmen die Aktivitäten vornehmlich der jüngeren Vergangenheit ein, die sich auf
die Erhaltung und Stärkung sowie auf die Reinhaltung der Mundarten beziehen.
Die folgenden Bemerkungen zu solchen Vorgängen beschränken sich auf den
deutschen Sprachraum.

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