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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 225
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0043
Einheit, an der ein Teil der Bevölkerung mit Zähigkeit festhielt. Als die Bretonen
vor etlichen Jahren erreichten, daß in den Volksschulen auch wieder bretonischer
Unterricht gegeben werden durfte, stellte sich das Problem der sprachwissenschaftlichen
Ausbildung interessierter Lehrer. Als einzige französische Universität
bot die von Rennes, der historischen Hauptstadt der Bretagne, Bretonisch an:
als Fremdsprache. Ob dies heute noch so ist? Wir wissen es nicht.

Die Frage zum Schluß, welche Folgen die einheitssprachliche Doktrin für die
kulturelle Entwicklung der französischen Provinz gehabt habe, konnte nicht begründet
beantwortet werden. Es ist richtig, daß man die Folgen des politischen
Zentralismus nicht von denen der einheitssprachlichen Doktrin, also der Zerstörung
der Dialekte, zu trennen und zu unterscheiden vermag. Über diese sehr
brisante Frage scheint auch noch keine wissenschaftliche Arbeit versucht worden
zu sein. Sie müßte wohl auch die Frage beantworten, ob die Einheitssprache die
erwartete Chancengleichheit denn wirklich gebracht habe? Man muß weder
Romanist noch Soziologe sein: wer Frankreich nur einigermaßen kennt, wird diese
Frage ohne Zögern verneinen. Die französischen Dialekte, die patois, sind bis auf
Reste vernichtet. Die argots, ausgesprochene Unterschichtssprachen, etwa in Paris
und Marseille, sind lebendiger Beweis dafür, daß das Dogma Fiktion geblieben
ist. Auch sonst ist die Theorie, die französische Einheitssprache sei ein Medium
sozialer Chancengleichheit, weithin Theorie geblieben.

Frei forschen darf der französische Dialektologe, publizieren und lehren,
das kann er anscheinend nur konform mit der staatlichen Ideologie der Einheitssprache
, es sei denn, er täte es auf eigene Kosten und existenzielle Gefahr.
Frankreich ist ein Musterbeispiel für die Folgen, die sich im Extremfall aus dem
Spannungsproblem zwischen dominanter und subordinierten Sprachen — zu
deutsch zwischen Herrschaftsanspruch einer einzelnen Hochsprache und der Unterwerfung
von „Subsprachen", womit die franz. Dialekte, sowie Bretonisch, Baskisch
und das Elsässische zusammen gemeint sind — innerhalb eines Staatsgebietes
ergeben können. (Siehe „Historiker-Bemerkungen ..." S. 232 und Anmerkung 28
dazu. CMV

Historiker-Bemerkungen zur Sprachbarrieren-Diskussion

von Chr. M. Vortisch
1 Sprachbarrieren: Was ist das?

Die Diskussion über das, was man heute Sprachbarrieren nennt, wird unter
verschiedenen Gesichtspunkten geführt. Vom Standpunkt des Soziologen, also des
Gesellschaftswissenschaftlers, sollen mit dem Begriff und seiner Diskussion gesellschaftlich
bedingte, sprachliche Schwierigkeiten verstanden und erläutert werden.
Die Psychologen betrachten das Problem unter dem Gesichtspunkt „affektiver
Hemmungen", die den Sprecher an der Entfaltung seiner persönlichen Sprechweise
hindern, z. B. weil er glaubt oder ihm eingeredet wird, andere seien ihm darin
überlegen Es gibt aber noch andere psychologische Hemmungen, die nicht nur
auf den einzelnen Sprecher, sondern auf ganze Sprachgemeinschaften einwirken
können. Darauf wird hier ausführlicher einzugehen sein.

Zum Verständnis der Materie ist es unerläßlich, zunächst einige Begriffsbestimmungen
zu geben. „Sprachbarriere" wird bei Duden etwas verkürzt aus soziologischer
Sicht erklärt: als „den sozialen Aufstieg erschwerendes, ihm im Wege
stehendes Hindernis, das durch mangelndes sprachliches Können und Wissen entsteht
". Das Deutsche Wörterbuch von Wahrig2) ist etwas ausführlicher: „Behinderung
der sprachlichen Entwicklung von Kindern aus Elternhäusern mit niedrigem

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