Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 227
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0045
2.1 In einem einleitenden Aufsatz unter dem Stichwort des Büchleins untersucht
Hermann Bausinger, der bekannte Tübinger Professor für Volkskunde, diese Frage,
indem er einen historischen Bericht vorausschickt, aus dem er zitiert. Bausinger
schreibt: „Daß die neuen Fragestellungen (der Sprachbarriereforschung, d. Verf.)
dem Gegenstand Dialekt nicht äußerlich und nicht aufgezwungen sind, läßt sich
schon durch einen knappen historischen Ausgriff wahrscheinlich machen. In einem
im Jahr 1794 von H. G. Zerenner herausgegebenen pädagogischen Handbüchlein 8)
findet sich ein Aufsatz des Inspectors Herzberg vom Königlich Churmärkischen
Landschullehrer- und Küsterseminar in Berlin mit dem Titel: , Warum herrscht
unter dem gemeinen Volk noch immer so viel Unwissenheit und Rohheit, und wie
kann dieselbe durch einen praktischen Unterricht in Volksschulen und Volksschullehrerseminaren
wirklich verhindert werden?' Der Verfasser rückt bei der Beantwortung
dieser Fragen den sprachlichen Aspekt in den Mittelpunkt. In ,Kenntniß
der Muttersprache und der hochdeutschen Mundart derselben und Sprachberichtigung
' sieht er ,Hauptgegenstände des Unterrichts in allen Volksschulen, besonders
aber in den Landschulen'; er ist überzeugt, ,daß der Mangel an richtiger Sprachkenntnis
und das Unvermögen des großen Haufens, den ihm ertheilten öffentlichen
Unterricht zu verstehen und zu nutzen, die bessere, geistige und sittliche
Ausbildung desselben nicht wenig erschweren.' Positiv stellt er den Unterricht bei
E. Freiherr von Rochow heraus, ,da plattdeutsche Wörter, die die Kinder vorbrachten
, immer von den Größeren erklärt wurden'. Und er fährt fort: ,1m
Mangel dieser kleinen Übung liegt die Ursach, warum es so schwer fällt, kleine
Kinder zur Sprache zu bringen. Sie verstehen die hochdeutsche Sprache nicht,
und da ist's denn, als wenn sie die Maulsperre hätten' — Dialekt als Sprachbarriere
!" Soweit Bausinger.

Abgesehen davon, daß das Hochdeutsche für den Niederdeutschen etwas
schwerer verständlich sein dürfte als für den Oberdeutschen, scheint uns die Schlußfolgerung
aus diesem einen Beispiel als sehr gewagt. Darauf wird zurückzukommen
sein.

2.2 Ein Gegenbeispiel, auf das verwiesen werden kann, sind die Bildungsverhältnisse
der Dörfer Auggen-Vögisheim, über die der Verfasser in diesem Heft
berichtet9). Im historischen Bildungsangebot der deutschsprachigen Territorien
bestanden zweifellos große Unterschiede. Schon vor der Reformation gab es sie
zwischen kirchlicher und bürgerlicher Bildung und den entsprechenden Bildungsstätten
. Es gab sie bei der kirchlichen Aufsicht über das Bildungswesen, was vor
allem nach der Reformation zu beobachten ist, und sie konnten in der Qualität
der höheren Schulen und in der Ausbildung der Lehrer und Pfarrer bestehen. 10)
Wie die Bildungsverhältnisse sich entwickeln konnten, das wurde auch entschieden
durch die Verkehrsverhältnisse, die wirtschaftlichen Verhältnisse n) und excessive
machtpolitische Interessen größerer oder fehlende Interessen kleinerer Staaten. Vor
allem dürften sie von der politischen Rechtsstellung der Bürger beeinflußt worden
sein 12). Im Falle der Oberen badischen Markgrafschaft war die Rechtsstellung der
Bauern und der Bewohner der kleinen Landstädtchen völlig gleich, die Frage der
Leibfreiheit — die es auch auf dem Lande gab — oder der Leibeigenschaft spielte
dabei keine Rolle.

Es muß einleuchten, daß eine Bevölkerung, die über ihre gewählten Vertreter
wesentlichen Anteil an der Ausübung einer Reihe von Souveränitätsrechten hatte13)
und die gewohnt war, in kommunalen Dingen Selbstverwaltung auszuüben, die
niedere Gerichtsbarkeit selbst zu regeln und Rechtsfinder am Landgericht zu sein,
sehr viel schneller die Vorteile der Institution Schule zu erkennen vermochte, als
dort, wo diese Voraussetzungen fehlten.

Das Beispiel der Dörfer Auggen-Vögisheim ist auf keinen Fall als Beleg für die
These, Dialekt sei als solcher eine Sprachbarriere, geeignet. Ganz im Gegenteil.
Viele lobende Urteile, „kann feine Rechenschaft geben", „kann fein antworten",
lassen darauf schließen, daß hier — gewiß durch Vermittlung eines echten, mit der
Bevölkerung ganz verbundenen Pädagogen, des Pfarrers Jeremias Gmelin — ein

227


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0045