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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 279
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0097
Dialekt in der Schule

/ Städtische Sonderschule
von W. Gut

Die Problematik zwischen Dialekt und Schule hat immer bestanden, solange es
eine Hoch- bzw. Schriftsprache gibt. Natürlich ist dieses Problem dort am akutesten
, wo die Differenz zwischen Mundart und Schriftsprache, bzw. zwischen
Mundart und Schreibweise am größten ist. In unserem alemannischen Sprachraum
ist diese Differenz groß, obwohl gerade zum Mittelhochdeutschen mannigfache sehr
nahe Beziehungen bestehen.

Wenn wir von den Verhältnissen vor dem Krieg ausgehen, so kann man sagen,
daß, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Unterrichtenden, der Lehrer und der
Pfarrer, aus dem gleichen sprachlichen Raum stammten. Wohl kam es vor, daß im
alten Land Baden Lehrende vom fränkischen Raum in den alemannischen Sprachraum
versetzt wurden, die überwiegende Mehrzahl aber stammte aus demselben
Sprachgebiet.

Der Begriff Sprachbarriere oder -hürde hat daher in der Vorkriegszeit nicht die
Rolle gespielt wie heute. Allerdings kam damals erschwerend dazu, daß die
Kinder vor dem Schuleintritt in viel geringerem Maße einen Kindergarten besuchten
— auf dem Lande fast gar nicht — und so vom 3. bis 6. Lebensjahr kaum
mit der Hochsprache konfrontiert wurden. Auch war in keiner Familie ein Fernsehgerät
, aus dem die Hochsprache ausstrahlte, und nur in einem relativ geringen
Teil war ein Radiogerät.

Das Kind kam in die Schule und hörte dort zum ersten Mal den hochdeutsch
sprechenden Lehrer. Natürlich war das Hochdeutsch der badischen Lehrer landschaftlich
gefärbt und von der Bühnensprache entfernt.

Aber auch der Lehrer mußte im Unterricht der Kleinen, also im Grundschulbereich
, mit Dialekt zu reden anfangen, sonst bekam er mit den Schwarzwaldoder
Hotzenwaldkindern keinen Kontakt.

Ich weiß noch gut aus eigener Erfahrung, wie wir Bibeltexte und andere hochdeutsche
dichterische Erzeugnisse brav und treu auswendig lernten, ohne den Sinn
zu verstehen. Ein Lehrer aus dem Unterland hatte aus diesem Grunde auch
Schwierigkeiten in unserer Klasse. Als er dann in unserem Dialekt zu uns sprach,
und wir in unserer Straßensprache nacherzählen durften, hat das einen mächtigen
Eindruck auf uns gemacht. Der Idealfall war selbstverständlich, wenn der Lehrer
aus dem Kleinsprachraum der Kinder stammte. Auch für den Lehrenden selbst
war es schwierig, wenn er den Dialekt der Kinder nicht vollständig beherrschte.
Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als ich als Junglehrer von einem'
Tag zum anderen nach Mannheim versetzt wurde und wie die Mädchen der
8. Klasse mich mit ihrem zünftigen Mannheimer Dialekt überraschten. Da gab
es manches zu lachen, und ich selbst gab mir Mühe, möglichst bald die Mannheimer
Kraftausdrücke zu verstehen. Im gesamten muß gesagt werden, daß die Schwierigkeiten
in der Stadt nicht dieselben waren wie auf dem Land. Erstens war der
Dialekt in den Städten doch ein wenig abgeschliffen, zudem waren durch die
Industrie recht viele Menschen aus anderen Gegenden des ehemaligen Deutschen
Reiches, so daß die alemannischen Kinder schon vor Schuleintritt die Hochsprache
hörten.

Dies war auf dem Lande, wo der weitaus größte Teil der Bevölkerung in der
Landwirtschaft arbeitete, nicht der Fall. Zudem spricht der Bauer — das gilt auch
heute noch — den ursprünglichsten Dialekt, damit auch den von der Schriftsprache
am weitesten entfernten. Zwangsläufig war damit für das Kind vom Land der

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