Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 283
(PDF, 38 MB)
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oder sie sogar mit dem Gefühl, daß der Dialekt etwas Minderwertigeres sei, in
die weiteren Schulen zu entlassen. Das wäre freilich das Schlimmste!

/// Realschule

Pädagogik im Zielkonflikt
Die alemannische Muttersprache und die Hochsprache im Unterricht

von Horst Kasper

Derzeit erleben die aus den alten Stammessprachen hervorgegangenen Regionalsprachen
, und damit auch das Alemannische, eine Art Renaissance. Was lange
Jahre den Ruch des Verstaubt-Provinziellen ausmachte, ist zum erhaltungswürdigen
kulturellen Erbe geworden, zu dem zu bekennen nicht nur keine
Schande mehr, sondern geradezu Beweis für guten Geschmack und kulturelles
Niveau geworden ist.

Die Fragestellung für den Schulpraktiker scheint damit einfacher geworden zü
sein als noch vor wenigen Jahren; aber im Schulbereich sind bisher keine entscheidenden
Wandlungen erkennbar. Es gibt zwar ein weites Feld der theoretischen
Erörterung, doch die hessischen Rahmenrichtlinien für das Fach Deutsch werden
nicht zuletzt deshalb so heftig befehdet, weil sie zum gewachsenen „Sprachmaterial
" ja sagen. Hierzulande erschöpft sich der Beitrag der Schule in der
„Behandlung" einiger einschlägiger alemannischer Gedichte, wenn es um die Pflege
dieses Kulturgutes geht, und die Lehrer, die sich solcher Übung unterziehen, werden
von ihren Kollegen zumeist milde lächelnd als die Förderer einer Marotte eingeschätzt
. Es mag Ausnahmen geben, die Regel aber ist dies.

Der didaktische Ansatz ist vom ersten Tag der Grundschule darauf ausgerichtet,
dem Kind möglichst rasch zur Hochsprache zu verhelfen und das Alemannische zu
„überwinden", um nicht zu sagen auszutreiben! Doch einem möglichen Mißverständnis
muß vorgebeugt werden: Das Ziel der Sprach- und Schreibsicherheit
in der Hochsprache ist durchaus zu bejahen. Aus vielerlei Gründen muß die Einheitssprache
Vorrang haben. Schließlich ist die Erhaltung des gemeinsamen
deutschen Sprachraums nicht nur aus soziokulturellen Erwägungen heraus wichtig,
sie ist auch eine politische Notwendigkeit. Im übrigen muß übertriebener
Enthusiasmus mit dem Hinweis gedämpft werden, daß ja schließlich auch die
Hochsprache eine jahrhundertealte Realität ist und die reiche Literatur unaufgeb-
bares Kulturgut. Das ist also nicht die Problemstellung, und das Hochdeutsche
hat den ersten Platz in der schulischen Sprachpflege völlig zurecht.

Andererseits ist nicht zu leugnen: zu den unumstößlichen Grundsätzen der
Demokratie in Staat und Gesellschaft gehört, daß soziokulturelle Eigenarten —
und zu diesen zählt die Sprache der Regionen — gepflegt werden. Dies geschieht
unter dem Schutze des Grundgesetzes, das landsmannschaftliche Verbundenheit
sowie geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge ausdrücklich als Realitäten
anerkennt (Art. 29) und sie zum Grundsatz für die staatliche Gliederung erklärt.
Außerdem genießen alle Bürger der Bundesrepublik Deutschland das Recht auf
freie Entfaltung der Persönlichkeit, soweit dadurch nicht die Rechte anderer eingeschränkt
werden (Artikel 2). Nun wird niemand behaupten wollen, daß das
Sprechen einer Regionalsprache andere an der Entfaltung ihrer Persönlichkeit
hindert. Im Gegenteil! Die jahrzehntelangen Bemühungen um die Unterdrückung
der Regionalsprachen in der Bildungsarbeit könnten als Relikt kulturzentralisti-
scher Reichszeiten zwischen 1870 und 1945 sogar als grundgesetzwidrig angesehen
werden; denn die Unterdrückung der Regionalsprache, das planmäßige Ausmerzen
ihrer Eigenheiten in Sprache und Schrift gehörte zu den primären Berufs-

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