Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 290
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0108
„trübe" ist das Perfekt „getrieben": „ . . . und etwas muß man getrieben haben,
sonst hat man Langeweil." — Wir sehen: Da stimmt etwas nicht. Hebel hat
sicher nicht „getrieben" gemeint, zumal „etwas getrieben haben" auch einen
negativen Sinn enthalten kann (nämlich „Böses treiben"), und der Dichter will
doch gerade das Gegenteil sagen: „Und etwas muß man (stets) zu treiben haben,
sonst hat man Langeweil." Zweifellos muß hier „zu" stehen. Es wird im Alemannischen
mit einem winzigen „z„ wiedergegeben, und so ein „z" ist eben leicht
zu übersehen. Setzen wir es also getrost hin, und „dere Chatz isch gstreut!":
„. . . Un öbis mueß me z trübe ha,
Suscht het me langi Wül."

„-le" oder „-Ii"

von Hubert Baum

Es wurde schon viel darüber geschrieben, wie sehr die Mundart die Hochsprache
befruchte, neu belebe und immer wieder mit neuer Nahrung versorge. Darauf sind
wir Alemannen stolz, wir wollen dabei aber nicht vergessen, daß auch umgekehrt
der Einfluß des Hochdeutschen in unserer alemannischen Sprache immer mehr
spürbar wird, heute mehr denn je. Wo dies in echter Weise geschieht, wollen wir
deswegen nicht gleich traurig sein, oder gar leichthin vom „Verfall der Mundart"
reden. Denn jede Sprache lebt in und von ihren sprechenden Trägern und wird
durch die täglichen Einflüsse gemodelt und gewandelt, paßt sich an, oder behauptet
sich, je nach der Lebendigkeit um sie her. Die Sprachforscher sagen, daß unsere
Muettersproch ein noch fast rein erhaltenes Mittelhochdeutsch sei; „fast" sagen
sie! Daran sehen wir eben, daß das Mittelhochdeutsche auch einmal „im Verfallen
" war, nämlich als es allmählich zum heutigen Alemannischen umgeformt
wurde.

Wenn also heute ein Kaiserstühler Geschäftsführer einer Winzergenossenschaft
vom „Erfolg" spricht, so ist dies eben ein neu aufgekommener Begriff, den die
alemannische Sprache dulden muß, denn dieses Wort ist nicht mehr dem früheren
„Gwinnscht" gleichzusetzen, so wenig wie man für „Winzer" das alemannische
„Rebbür" vor die Genossenschaft setzen kann. Wo echte Mundart gesprochen wird
und wo sich die Sprecher der Kraft und Schönheit ihrer Sprache bewußt sind, da
besteht gar keine Gefahr des Zerfalls. In das ewig frische, lebendige Tönen und
Rauschen einer so urkräftigen Sprache, wie sie im Alemannischen vorliegt, werden
die neuen Wörter auf eine ganz natürliche Weise aufgenommen: Der Torhüter,
der goalkeeper, wird zum „Goli" und das „Fazenettli" oder „subtil" lesen wir
schon bei Hebel. Es gibt unzählige Beispiele dieser Art. Und loosen wir doch den
Flüchtlingskindern auf der Dorfstraße zu. Da hören wir unverfälschtes Alemannisch
. Welch eine Kraft dieser Sprache eignet, erlebte ich am Beispiel der Entwicklung
eines Schulkameraden, eines Berliners, der als Sechsjähriger zu uns aufs Land
kam. Als erstes prägten wir seinen Namen Brandner in das alemannische Wort
„Brandi" um. Als wir uns nach dreißig Jahren wiedertrafen, sprach er ein reines
Memannisch: langsam, bedächtig, in feinen Tönen ausmalend, wie s „der Bruuch
isch". Sein Berliner „Schnellgeschwätz" war ganz und gar verschwunden, und das
Erstaunliche war, wie ihn, neben der Umwelt, sicherlich vor allem die Sprache des
Landes vom Aufgeregten, nervös Hastenden zum ruhig gemütlich sich Gebenden
umgeformt hatte. Es mag sein, daß so etwas selten ist, aber gibt es uns nicht zu
denken?

Wir nehmen es also getrost hin, wenn unabwendbare äußere Einflüsse die
Mundart verändern. Leider aber verfälschen Gedankenlosigkeit und Unkenntnis
unsere alte Muttersprache so sehr, daß wir aufgerufen sind, für ihre Reinheit und
Echtheit Sorge zu tragen. Unsere Mundart sollte nicht in eine verwaschene Um-

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