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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 293
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0111
Mundart und amtliche Schreibung bei Ortsnamen1)

von Chr. M. Vortisch

Im Heft 1 der Reihe „Vorarbeiten zum Sachbuch der südwestdeutschen und alemannischen
Geschichte" des Alemannischen Instituts in Freiburg 2) geht der Verfasser
als Geograph auch auf sprachgeschichtliche Vorgänge bei der Ortsnamen-
gebung ein. Es heißt dort auf S. 14: „Die -weiler-Bezeichnungen gehen sprachlich auf
,villa' zurück; sie gelangten jedoch erst in nachrömischer Zeit vom romanischen
Westen nach Deutschland und wurden hier häufig für die Gründungen der Ausbau-
und Rodezeit verwandt (Löffler 1968) 3). Am Oberrhein wandelten sie sich zu
-weiler, in der Schweiz zu -wiler ab."

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, sei hier festgestellt, daß diese
„Vorarbeiten" vor endgültiger Drucklegung des Gesamtwerks noch kritisch überarbeitet
werden sollen, wo dies notwendig erscheint. Deshalb ist dieser kleine
Beitrag weniger als Kritik aufzufassen, denn als Hinweis auf die Mißverständlichkeit
derart verkürzter Formulierungen. Mißverständlich für Leser, die keine ortsnamenkundlichen
Spezialkenntnisse haben, aber auch für solche, die wegen des
sachlichen Zusammenhangs den Löffler'schen Beleg auch auf die Aussage über die
Entwicklung der villare-Formen am Oberrhein und in der Schweiz beziehen zu
können glauben. Dies ist nicht möglich. Die verkürzte Formulierung bedarf jedoch
aus einem anderen Grund noch der Verdeutlichung, weil sie nämlich die falsche
Vorstellung erweckt und fördert, daß aus der schriftsprachlichen Konvention
übernommene Formen, weil sie dadurch eine Art „amtlichen" Charakter gewonnen
hätten, auch sprachwissenschaftlichen Vorrang zu beanspruchen hätten. Und daß
demgegenüber die Bedeutung der gesprochenen Sprache, wenn sie sich nur in
Dialektformen äußere, unbeachtlich sei. Das Gegenteil ist der Fall. Deshalb seien
einmal anhand weniger Beispiele die tatsächlichen Entwicklungsformen der ON
auf -weil und -weiler am Oberrhein (genauer gesagt: diesseits und jenseits des
Oberrheins) dargestellt und mit den heutigen amtlichen Schreibformen verglichen.
Einige Bemerkungen zu anderen gesprochenen und amtlichen Namenformen folgen
am Schluß.

In der Sprachwissenschaft ist zu unterscheiden zwischen gesprochenen und geschriebenen
Formen. Beide Formen entsprachen sich weitgehend in ihrem jeweiligen
regionalen und dialektalen Bereich vor der neuhochdeutschen Diphtongierung 4),
vor allem vor dem Zeitalter des Buchdrucks. Und nach der Reformation, die durch
die große Verbreitung der Bibel zur Ausbildung einer deutschen Einheitssprache,
zunächst nur als 5cferi/fsprache, beigetragen hat, begegnen wir vermehrt einheitssprachlichen
Schreibformen auch in den handgeschriebenen historischen Aktenbeständen
. Diese Einheitssprache, durch Luther in starkem Maße mitgeprägt, entsprach
nicht nur dem theologischen Bedürfnis nach möglichst weiter Verbreitung,
sondern auch denen von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft. Hier hat sich die
neuhochdeutsche Diphtongierung am schnellsten durchgesetzt. Aber daneben entwickelten
sich die Dialekte als Formen gesprochener Sprache weiter, wobei das
Alemannische diese Diphtongierung nicht mitgemacht hat, eines der Hauptkennzeichen
, die unseren Dialekt von anderen z. B. dem schwäbischen, unterscheiden.

Nun zur Entwicklung der ON-Formen mit -wil/weil. Ihre Entstehung aus dem
lat. Wort villa = Landgut, geht bei uns auf die Zeit unmittelbar nach der alemannischen
Landnahme zurück. Es gibt jedoch auch -wil/weil-Formen, die eine
Verkürzung aus früherem -villare/wiler durchgemacht haben, worauf später
zurückzukommen sein wird. Bei fast allen echten -wil'weil-Orten ist jedenfalls der
voraufgegangene Bestand einer römischen Siedlung (meist neben dem neuen Wohnplatz
) durch römerzeitliche Funde nachgewiesen 5). Villa-Gründungen finden wir in
der ersten Ausbauzeit.

Auf das spätlateinische oder frühmittelalterliche „villare" sind die ON auf
-wiler/weiler zurückzuführen. Dieses „villare" ist in dieser Form und in der etwas

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