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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 315
(PDF, 38 MB)
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Vorwort:

Der Bote dieses Briefes „aus der Ewigkeit an die Markgräfler" ist der in Hattingen, im
Ruhrgebiet lebende, hochbetagte Hebelfreund Theodor Seidenfaden, geboren am 14. 1. 1886
in Köln, wo er als Lehrer- Rektor, Dozent für Deutschkunde und Stadtschulrat wirkte.
Reich ist seine literarische Ernte, für die ihm das „Deutsche Kulturwerk" den Goldenen
Ehrenring nach seinem Freunde Hermann Burte verliehen hatte. Im Jahre 1958 wurde
seine eindrucksvolle Hebelbiographie „Das Leben eines Dichters" vom Lux-Verlag in
Murnau herausgegeben, die aber leider vergriffen ist. (Schü.)

Johann Peter Hebels Brief aus der Ewigkeit an einen

Markgräfler Freund

von Theodor Seidenfaden

Ja, mein lieber Freund, ich sehe Dich in der behaglichen Arbeitsstube Deines
Hauses an der Sonnhalde, nahe der alten Kirche, mit dem weiten Blick ins reifende
Rebland, spüre die lockenden Höhen und Wälder vom Blauen bis zur Hohen
Möhr, die bunten Herbstwälder im Jura und die einladenden Gassen der Dörfer
in den früchteschweren Baumgärten am Oberrhein, und kann mir denken, daß es
heute bewegter dort hergeht als zu meiner Werkzeit. Ob ich auch im Ewigen bin
und weiß um den 26. September Deines Jahres 1976, den Montag der Woche, der
mich vor einhundertfünfzig Jahren aus dem Irdischen abrief in die ewige Heimat,
weiß um Dein und unserer lieben Markgräfler Wollen, an diesem Tage mich,
den Adjunkten und seine „Alemannischen Gedichte", das „Schatzkästlein" und
vielleicht auch das Buch seiner „Biblischen Geschichten" feiern zu wollen.

Der Morgen blüht, die Sonne leuchtet, der Himmel bleibt blau, und Amselrufe
dringen durch das offene Fenster Deines im ersten Stock gartenwärts liegenden
„heiligen Raumes", und Du grübelst über die festliche Ansprache, die Du am
kommenden Sonntag in der Festhalle zu halten hast.

Ich bedauere Dich.

Die Wölfe beißen, mit dem Doktor Luther zu sprechen, bisweilen auch ein
gescheites Hündlein, und wem das Glück wohl will, dem kälbert ein Ochs. Dazu
hängt man, falls die Löwenhaut nicht hinreicht, den Fuchspelz drüber.

Das weiß ich — und noch mehr: daß Pfeifen und Harfen wohl lauten, eine
freundliche Rede hingegen noch besser klingt, zumal wenn eine alemannische
Stimme sie spricht, wie die Vorsehung sie Dir in so edlem Maße, das heißt mit
jener Fülle von Obertönen geschenkt hat, die alloffenbarende Güte birgt.

Und dennoch: ich bedauere Dich, weil ich nicht nur Dich, das immer noch
heimelige Land im Tal und unser badisches Land mit den Oberrhein-Gebreiten
sehe, die ich vor wie noch für das Paradies der Erde halte!

Ich bedauere Dich, weil ich Dich inmitten eines Europa sehe, das sich, will's
mir scheinen, zum Selbstmorde vorbereitet.

Sieh': auch meine Werkzeit war erregt.

Doch wir wußten dies: daß es not tue, den europäischen Menschen als den Erben
zweier gestaltmächtigen Jahrtausende zu erhalten und sein drittes Jahrtausend zu
ermöglichen, indem man ihn die Wurzeln seiner Herkunft neu sehen und entsprechend
nähren lehre.

Unser Markgräfler Land — bedenk' es wohl —, lag als Zelle deutschen Lebens
zwischen den Ländern und den Wirbeln dessen, was Geschichte heißt, und immerfort
drohten ihm Sklaverei und Gewalttat von den vier Winden her. Wir aber
ließen uns das Erkennen nicht entreißen, das zeigt, in welchem Maße wir als
Deutsche an allen alten und neuen Staatswesen Europas beteiligt seien und deshalb

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