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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 8
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-01-02/0010
Der Landschreiber berichtete später in einer Rechtfertigung (s. u.) wie er
eigentlich dazu bereit gewesen sei, „um diese schwärmerischen und kurzsichtigen
Leuthe desto eher zur Folgeleistung zu vermögen," doch habe er diese Aktion abbrechen
müssen, da dringliche Aufgaben im Fricktal seine persönliche Anwesenheit
erforderten. Jedenfalls kam man an diesem Tag zu keiner Einigung. Nach
Aussage der Bauern muß die Stimmung bei diesem Vorgang äußerst gereizt
gewesen sein. Der Landschreiber habe die Bauern 'Hunde! Canaillen!' tituliert,
was er allerdings später mit Zeugen abzustreiten suchte 17). In der Verärgerung
über die Hartnäckigkeit der Leute lagen aber die Gründe für das verhängnisvolle
weitere Vorgehen der Rheinfelder Behörde. Zunächst jedoch wurde die Reaktion
der Bauern sichtbar, die schon am 17. August erklärten, daß sie als treue Unter-
thanen nur des Kaisers Befehl ausführen wollten, was wiederum auf die schriftliche
Zusicherung seitens der Rheinfelder Behörde hinauslief.

Die Atmosphäre blieb gespannt; man spürte, es lag etwas in der Luft. Am
frühen Morgen des 20. August vor 4 Uhr zogen vor allem öflinger, aber auch
einige Wallbacher Bauern in einer Stärke, die vom Militärkommando auf 80 Köpfe
geschätzt wurde, den Niederschwörstädtern zu Hilfe: sie umstellten das Dorf und
hielten die aufgezogenen Schildwachen auf. Schließlich trieb eine Abteilung von
6 Mann unter dem Kommando des Oberleutnants von Borelli die Bauern wieder
auf Oberschwörstadt zurück, während vom Abhang des nahegelegenen Ossenberges
herab einer — man vermutete den betagten Joseph Rüttenauer von Niederschwörstadt
— den Rückzug aufzuhalten suchte, indem er mehrmals mit dumpfer
Stimme rief: „Lasset Euere Brüder nicht im Stich; ein Schelm, ein Spitzbub, der
zurückweicht" 18).

Auch im Dorf, aus dem sich neben Rüttenauer noch einige andere in Sicherheit
hatten bringen können, wuchs die Unruhe. Vorsorglich aufgezogene Wachen
konnten nicht verhindern, daß mehrere Einwohner bis zur Kapelle vordrangen.
Vor Beginn der Feldarbeit ließen nun der erschienene Landschreiber Isfordinck
und seine Kommission die Bauern durch den Ortswächter bzw. die Soldaten abholen
und auf einem Platz zusammentreiben. Dann eröffnete man ihnen deutlich
die „allerhöchsten Aufträge", d. h. die Gehorsamspflicht bei den Frondiensten
und gab ihnen eine Bedenkzeit von einer halben Stunde. Während der Vogt Joseph
Heitz von Niederschwörstadt an diesem Tag „eine Krankheit vorgeschützt"
hatte und unter Bewachung gehalten wurde, sollen sich einige Schwörstädter noch
vor Ablauf der Bedenkfrist freiwillig gemeldet haben, sich auf „den Bank" niederzulegen
, um die ihnen zugedachten Prügel zu empfangen. Daß dies nicht als
Zeichen der Unterwerfung zu verstehen war, zeigt auch der verbürgte Ausspruch
bei den empfangenen Stockstreichen: „Gott und Seiner Majestät, dem Kaiser zu
Ehren!" Dies sollte besagen, daß sie für die Gerechtigkeit, für die Gott und der
Kaiser ihnen standen, zu leiden bereit waren.

Als erster der Einwohner sollte der Gemeindedeputierte Ulrich Bannwarth auf
dem öffentlichen Platz gezüchtigt werden. Da drängten sich an die 50 Weiber
und Töchter der durch das Exekutionskommando in einem engen Kreis eingeschlossenen
Männer und Väter heran; drohend schwangen sie Prügel und Stangen
und schimpften und heulten dermaßen, daß der Offizier seine Korporale und
Soldaten anwies, mit Stockschlägen bzw. Kolbenstößen gegen den Auflauf einzuschreiten
. Jetzt wurden Straßen und sonstige Zugänge mit Schildwachen abgeschirmt
. Die häßliche Strafszene konnte ihren Lauf nehmen. Während sich die
Bauern meist ohne äußere Gewaltanwendung auf die Bank legten, um ihre
Schläge zu erhalten, heulten die Weiber und Kinder auf einer Anhöhe vernehmlich
das Rosenkranzgebet herunter. Im Durchschnitt wurden 30 Stockstreiche verabreicht
, eine Anzahl, die dem Strafmaß der einfachen Soldaten bei den österreichischen
Garnisonen entsprach 19). Ein 'Garnisons-Chirurgus' stand derweil
bereit und „visitierte" einzelne Opfer. Einige Personen scheinen auch eine reduzierte
Zahl erhalten zu haben, wie der Rechtfertigungsbericht des Landschreibers
später vermerkte 20).

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