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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 17
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habe sich aber ihrer Sache noch nie angenommen. Mit einer Verwarnung wird der
Alte dann wieder entlassen. War es Resignation, die ihn so reden ließ, war es die
Überzeugung, daß die Angelegenheit doch noch letztlich im guten enden würde?

Noch einmal muß er den drei Gemeinden, deren Deputierter er gewesen war,
Rede und Antwort stehen, zu sehr waren wilde Gerüchte über seine letzte Wienreise
auch vom Amt her im Umlauf. Anfang Dezember 1798 gibt er zu Protokoll,
daß er mit dem Kaiser nicht nur einmal, sondern dreimal gesprochen habe, der
Kaiser habe ihm nicht mitgeteilt, daß der Kommissar von Blank die Entschließung
betr. den Freiherrn und die Dörfer der Herrschaft Schwörstadt diesen Gemeinden
vorlesen werde. Die Frage nach der sechswöchigen Haftstrafe in Wien und ob er
diesen Arrest abgesessen habe, verneinte Rüttenauer und fügte hinzu: „Wann
dieses wahr seye, so solle Gott Jhme auf dieser Stelle in der Mitte des Zirkels der
Bürgerschaft unter dem Hellen Himmel an ihm ein Zeichen thun." Da die Gemeinden
nach dem Verhör erneut eine Delegation nach Wien schicken wollten,
da immer noch Zweifel bestanden 46), versuchte Rheinfelden jetzt eine politische
Untersuchung gegen Rüttenauer anzustrengen, ihn sicherheitshalber nach Stockach
zu überführen, angeblich weil die in der Nähe gelegenen Gefängnisse zu übel eingerichtet
seien. Wien reagierte aber erst im März 1799 gelassen in dieser Sache.
Rüttenauer habe tatsächlich seine Arreststrafe in Wien nicht abgesessen, da er sich
unsichtbar zu machen verstanden habe. Wann ruhigere Zeiten eingekehrt seien,
solle die Strafe aber in Rheinfelden nachvollzogen werden. Dies möge man den
Gemeinden mitteilen, damit sie nicht weiter irregeführt würden 47).

Dies war die letzte Stellungnahme der kaiserlichen Verwaltung in Wien, gelassen
, ja nachsichtig und milde. Ob die kurz vor Weihnachten 1798 von den
Dörfern Niederschwörstadt, öflingen, Wallbach und auch Niederdossenbach abgesandten
sechs bis acht Deputierten auf einem letzten Versuch beim kaiserlichen
Hoflager Erfolge erzielen konnten, ob Rüttenauer wirklich noch einmal dabei
war, bleibt ungewiß. Rheinfelden versuchte jedenfalls erregt, die Abgesandten
unterwegs in Stockach anzuhalten und auf eigene Kosten nach Hause eskortieren
zu lassen48). Die bereits erwähnte Wiener Nachricht vom März 1799 kann die
dortige Einstellung auf Grund des letzten Besuchs der „Hofebehelliger" widerspiegeln
. Bald danach besetzten französische Truppen den Breisgau und das Hochrheintal
, und am Ende des Krieges fiel mit dem Frieden von Luneville der österreichische
Breisgau samt der Herrschaft Schwörstadt mit den dort ansässigen
„ungehorsamen Untertanen Vorderösterreichs" 49) an den Herzog von Modena,
1806 dann an das Großherzogtum Baden.

Überblicken wir noch einmal die ganzen Vorgänge: die Handlungsweise der
Bauern der Herrschaft Schwörstadt wird ausgelöst durch die der Aufklärung verpflichtete
Gesetzgebung Kaiser Josephs II. Als besondere Umstände haben dabei
das ungeschickte Verhalten der Grundherren und die noch verhältnismäßig reaktionäre
Einstellung der Verwaltung auf der unteren Ebene zu gelten, die durch die
unselige Durchführung der Strafaktion das Klima für Jahre vergiftete. Zum anderen
fand sich unter den führenden Vertretern der Bauern in der Person des
Rüttenauer ein Mann, der zu einer mindestens im lokalen Bereich faszinierenden
Größe aufstieg. Obwohl „nur" ein einfacher, wenngleich nicht unvermögender
Bauer, zeigt er nicht nur feste politische Zielsetzung, Überzeugungskraft in der
Argumentation und die Fähigkeit, auch mit der höchsten Behörde in Wien, ja dem
Kaiser selbst zu verhandeln; er zeichnete sich ebenso durch seine Unerschrocken-
heit und persönlichen Mut und seine Opferbereitschaft aus, die ihn auch trotz
hohen Alters die Mühsal weiter Reisen nach Wien auf sich nehmen ließ. Seinem
unbeugsamen Rechtsgefühl und Sinn für Würde des Menschen stand ein ebenso
festes Treueempfinden gegenüber dem Kaiser als dem Exponenten des Guten im
Staate wie auch eine tiefe Verwurzelung im Religiösen gegenüber. Kurzum, Joseph
Rüttenauer ist eine Persönlichkeit, die es verdient, in ihrer Ungewöhnlichkeit herausgestellt
zu werden. Daß sich hier nicht eine Entwicklung zu einer Art Michael

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