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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 155
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-01-02/0157
empfindsamen Christentums, als dessen literarischer Wortführer in Baden neben
Jung-Stilling und Brauer eben Ewald anzusehen war. Beide Strömungen setzt
Hebel nach Katz „aus seinem Selbstverständnis als Literat und Glied einer im
herkömmlichen Sinn christlichen Gesellschaft" das Gefühl seines Oberländer
Christenstands entgegen. Oberländisches und Christliches sind für ihn nicht nur
zusammengehörig, sondern bedingen sich gegenseitig so sehr, daß Katz treffend
resümieren kann, ein „säkularisiertes Alemannentum" dürfe sich deshalb kaum
..auf Hebel berufen".

Katz liest aus Hebels Gutachten aber noch mehr heraus: Er vergleicht es mit
Hebels „Ideen zur Gebetstheorie", die 1799 anläßlich der Abfassung liturgischer
Formulare entstanden waren. In diesen „Ideen" sieht Katz die Prinzipien des
Gutachtens vorweggenommen, denn auch in den „Ideen" ist „Hebels Hauptproblem
. . . die Überbrückung der Kluft zwischen Gebildeten und Ungebildeten",
— ein Problem, das Katz in Briefen Hebels aus den folgenden Jahren immer
wieder auftauchen sieht, nicht zuletzt auch bei der Kalenderarbeit, — mithin ein
Problem der literarischen Formgebung ebenso wie der Katechese. Daß Hebel die
von ihm aufgestellten Grundsätze in seinem gesamten Werk befolgt hat, steht
außer Frage.

Im Jahre 1944 erschien die Arbeit von Susi Löffler: „J. P. Hebel, Wesen und
Wurzeln seiner dichterischen Welt", eine Zürcher Dissertation aus der Schule
von Emil Ermatinger. Die Verfasserin geht von einem sehr einseitigen Ansatzpunkt
aus, den sie aus einer allzu groben Simplifizierung der Lebenssituation
Hebels gewinnt; schildert sie ihn doch kurzweg als einen von seinem ungeliebten
Beruf gedrückten, über die Öde seines Alltags böslaunig gewordenen möblierten
Herrn. Schließlich geht sie soweit, zu behaupten, „daß Hebel die Ehrfurcht und
das Interesse, das wir ihm entgegenbringen, überhaupt den hohen Namen Dichter,
einzig darum verdient, weil er die Alemannischen Gedichte geschrieben hat, und
nicht, . .. weil er den Rheinländischen Hausfreund oder die Biblischen Geschichten
schrieb; denn diese wären allzuleicht in der Masse der ähnlichen Erzeugnisse jener
Zeit untergegangen, hätte sie nicht der Ruhm von Hebels Poesie gestützt und
über die Tagesliteratur emporgehoben." — So Löffler. Es bleibt unverständlich,
wie sich nach Altweggs alle Lebensbezirke umgreifenden Hebelbuch — das S.
Löffler denn auch konsequent wegen zu geringer Beachtung der „Alemannischen
Gedichte" tadeln zu müssen glaubt — der literarhistorische Blick wieder derart
verengen konnte. Wer alle Schriften Hebels kennt, wird den Löfflerschen Ansatz
nicht akzeptieren können: Hebel ist doch immer der gleiche, und seine Intentionen,
seine Stilnormen, sein formales Können sind ebenso immer die gleichen. Man
folgt dem weiteren Gang der Erörterungen deshalb kritischer als anfänglich
gewollt und ist in Versuchung festzustellen, daß sich die geistige Kraft der
Autorin in einer gemütvollen und interessant plaudernden Interpretation zu erschöpfen
droht. Indessen darf man aber auch nicht verkennen, wie einfühlend
diese Interpretationen im einzelnen sind und wie sehr sie die feinsten dichterischen
Gedankenschwingungen registrieren. Eine systematische Zusammenfassung der
Hebeischen Gedankenwelt zu liefern — was man nach dem Titel von der
Löfflerschen Arbeit hätte erwarten dürfen —, blieb einer gleich zu nennenden
Arbeit von Margarete Lutz vorbehalten, die aber gleichwohl ohne die Vorarbeit
von S. Löffler und einigen anderen nicht möglich gewesen wäre. Immerhin stellt
S. Löffler die enorme Bedeutung von Hebels Naturmythos heraus, bespricht die
mythische Schau, die Mythen vom Tages- und Jahresumlauf und den grundlegenden
vom Spinnen und Weben; sie befragt die „Alemannischen Gedichte"
nach ihrem ethischen Inhalt, beschreibt die Art von Hebels Humor und bemüht
sich um Erkenntnis des Spannungsverhältnisses von Natur und Christentum bei
Hebel. In Hebels Zeitgefühl erahnt Löffler den Ursprung seiner Poesie — sie
hätte weitergreifend sagen können: den Urgrund seine Haltung dem Dasein gegenüber
. Auch die Vorstellungen Hebels vom mythischen Kreis stellt Löffler inter-
pretatorisch heraus und erkennt, wie Hebel das Jenseits als neue Zukunft auffaßt.

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