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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 159
(PDF, 42 MB)
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im Staat muß eine gerechte, eine Rechtsordnung sein", die mit einer „handfesten
Strafjustiz" verbunden ist, — das Letztere aus volkserzieherischen Gründen der
Abschreckung. Überall sieht Wolf sich bei Hebel in diesem Betracht einen „männlichen
, festen Sinn" äußern. „Der Ordnungsgedanke ist Hebel besonders teuer.
Um seinetwillen ist ihm alles geltende Recht lieb", konstatiert Wolf. Zerstörerischen
Neuerungen hält Hebel in konservativer Art die überkommenen ständischen
und staatlichen Ordnungsgrößen entgegen. „Wer der machthabenden Obrigkeit, die
nach lutherischer Lehre als von Gott verordnete Gewalt aufgefaßt wird, den Gehorsam
verweigert, ist Rebell". So erkläre sich Hebels Darstellung von Andreas
Hofer, so die des Kampfes der Spanier gegen die Franzosen. In dieser Ordnungsauffassung
sieht Wolf auch Hebels Bewunderung für den Kaiser Napoleon begründet
. „Hebel verehrte im Kaiser den Sieger über die Revolution, den Mann,
der — jetzt nach Worten Hebels selbst — „in seinem unglücklich gewordenen
Vaterlande die Ruhe und Ordnung wiederherstellte". Der Ordnungsliebe gesellt
sich ein „aufrichtiges Friedensbedürfnis" bei: Hebel sah nach Wolf „ganz im Geiste
des Polizei- und Wohlfahrtsstaates seiner Zeit die Aufgabe der Regierung darin,
ihren Untertanen den Frieden als Voraussetzung für guten Wohlstand aller zu
erhalten". Die immer wieder betonte Menschlichkeit, die Hebel in seinen zeitgeschichtlichen
Erzählungen beispielweisend vorführt, sieht Wolf „ohne nachweislichen
literarischen Einfluß und ohne Sentimentalität auf dem Boden einer
tieferen Verbundenheit mit dem Volk und seinen Nöten gewachsen". „Das lebhafte
Gefühl für soziale Gerechtigkeit ist einer der stärksten Pfeiler von Hebels Rechtsglauben
". Mit Hebels sozialem Empfinden geht einher seine Anerkennung auch
eines ungeschriebenen Rechts. Es zeigt sich im Gesetz der Sitte, die das „Leben in
Ehren" lenkt und formt, — weiter in dem „im Volk lebendigen Rechtsgefühl"
und zuletzt im „Recht der eigenwüchsigen Art", das Hebel selbst noch den zwielichtigen
und halbkriminellen Spaßmachern und den Meisterdieben zugesteht.

Freilich sieht auch Erik Wolf, daß Hebel die „höchste Stufe seiner Rechtserkenntnis
. . . vom religiösen Bewußtsein aus gewonnen" hat. Hebel glaubt an das
Recht wie ein Christ an das „Walten der Gerechtigkeit Gottes". „Vom festen
Boden christlicher Grundwahrheit aus" sieht er die „Welt des menschlichen Rechts
bestimmt und geordnet". Wolf verkennt keineswegs die dabei obwaltende „escha-
tologische Grundstimmung", — verkennt auch nicht, daß es für Hebel auch
„menschliche Lagen" gibt, „wo die irdische Gerechtigkeit zweifelhaft ist und die
göttliche uns verborgen bleibt", — ein Zwiespalt, den Hebel nicht mehr dogmatisch
-theologisch löse, sondern der sich in „der künstlerischen Anschauung eines
alle Gegensätze umschließenden und versöhnenden Weltgesetzes" aufhebe. Rechtsglaube
wird so zum Seinsglauben, dessen letzte Gründe nur noch zu ahnen seien.
Erik Wolf kommt damit für seinen gewählten Betrachtungsbereich „Recht" zu
gleichen Erklärungen wie Lutz für den ihren, den umfassenderen.

In dem großen Komplex der Fragen nach Hebels Einstellung zu seiner Lebensumwelt
gibt es eine, die sehr häufig angerührt, aber nicht einheitlich beantwortet
wird: Es ist die Frage nach Hebels politischer Haltung, — konkret die Frage
nach Hebels Einstellung zu Frankreich und Napoleon einerseits und zu den
Nationalismen seiner Tage andererseits. Selten, daß diese Frage im wissenschaftlichen
Sinn durch das Nebeneinander — oder auch Gegeneinandersetzen der Aussagen
Hebels ihre unvoreingenommene Antwort findet. Meist wird Hebel von
einem viel späteren alldeutschen oder großdeutschen Standpunkt aus — und somit
gegen das Gesetz historischen Denkens: stets so zu urteilen, wie es der jeweiligen
historischen Situation entspricht — für seine zeitgebundene politische Überzeugung
gerügt oder entschuldigt oder überhaupt zensiert. Und dies dafür, daß er
— deutlich gesagt — in Napoleon nicht unbedingt den großen Verderber Europas,
in Frankreich nicht unbedingt den erklärten Erbfeind Deutschlands sehen konnte
und mochte, wie es eine von den Treitschkeschen Nationalismen vernebelte deutsche
Historikergeneration samt ihren Nachfolgern als fehlerhaft ankreidete. Hierzu
zwei Beispiele:

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