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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 160
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-01-02/0162
Im Jahre 1935 versuchte Adolf von Grolman in „Wesen und Wort am Oberrhein
" Hebel als großen Patrioten im Sinne jener hebelzeitgenössischen politischen
Schriftsteller zu retten, die Hebel selbst präzis genug und an unverdächtiger
Briefstelle als „Maul- und Federdeutsche" bezeichnet hat. Von Grolman meint,
das „Vaterländische, das Politische" liege bei Hebel versteckt, mehr in Zwischentönen
angedeutet. Und weshalb? Angeblich aus barem Utilitarismus, der sich nicht
mit Napoleon anlegen wollte. Die Grenzlandsituation Badens muß zur Entschuldigung
herhalten. Das von dergleichen Hebelinterpretation stets als einziges
Zeugnis beigezogene „Patriotische Mahnwort an den Vetter" wird denn auch
von v. Grolman konsequent, wenngleich sachlich zu Unrecht, als Hebels „großartigstes
Bekenntnis" angesehen. Gröber konnte Hebel in dieser Sache kaum
verkannt werden. Oder doch? Andreas Heusler übertraf in seiner Freiburger
Hebelrede im Jahre 1937 von Grolman wohl noch, als er — Hebel mit Goethe
zusammen nennend — die souveräne, unbeeinflußbare Haltung beider in politischen
Fragen im Sprachgebrauch der Dritten-Reich-Ideologie so charakterisierte:
„Beiden fehlt das völkische Ehrgefühl . . . oder erwacht erst spät, als die Masse
sie mitreißt". Von der stets manipulierbaren und stets manipulierten Meinung der
Masse haben jedoch weder Goethe noch Hebel je etwas gehalten, sollte man wissen,
wenn man über Hebel schreibt. Von Hebel weiß Heusler nur zu sagen: „Als Zuschauer
nimmt er die großen Umwälzungen hin ..." und glaubt ihn so entschuldigen
zu müssen: „Das erklärt sich aus den Zeitläuften, mehr aus dem Dichtergemüt
". Wie das eine und wie das andere zu denken sei, hat von Grolman im
Jahre 1937 — nun sehr viel gemäßigter und besser — in „Werk und Wirklichkeit"
ausführlicher dargelegt: „Hebel gehört zu jenen Männern, welche die französische
Revolution samt Folgen auf deutschem Boden und die napoleonischen
Kriege regierungs- und erziehungsmäßig für Deutschland zu überwinden hatten.
Dazu gab es viele Wege und Methoden, sie waren auch landschaftlich und stammesmäßig
verschieden; im Grenzland am Oberrhein konnte ein Alemanne, der einen
fränkischen Bluteinschlag hatte, mit klarem Blick sogleich erkennen, . . . daß die
Lösung der Aufgabe hier am Oberrhein ihre besonderen Voraussetzungen hatte".
Doch verkennt von Grolman nicht, daß Hebels Haltung aus Wesen und Gründen
kam und nicht aus Taktik.

Der Rezensent selbst hat 1960 in einem Vortrag vor der Deutsch-Französischen
Gesellschaft Freiburg bzw. in einem Aufsatz mit dem Titel „Hebel und Frankreich
" im Alemannischen Jahrbuch 1961 versucht, den Fragenkomplex Hebel und
Frankreich gründlich anzugehen. Die Ergebnisse — durch Robert Minder in seiner
Hebelrede 1963 bestätigt — lassen sich etwa so zusammenfassen:

Hebel konnte dem Französischen, d. h. dem französischen Wesen, wie immer es
ihm entgegentrat, nur immer auf der Ebene seiner eigenen Wesenheit begegnen, —
d. h. in ausgewogener, gelassener und toleranter Menschlichkeit. Er mußte das
Französische seiner Anlage nach wie aus topographischen Gründen als etwas Nachbarliches
auffassen, — als etwas, das zwar ganz anders war als das eigene Oberländer
Volk, — das aber ebenso wertvoll oder zum mindesten ebenso diskutabel
war. Niemals hat sich Hebel von einem mißgeleiteten Nationalgefühl den Blick
verstellen lassen für das elementar Menschliche auch im anderen Volk. Für Hebel
gab es auch im vergleichenden Anschauen zweier Volkstümer nur individuelle und
nur ethische Wertungsnormen, keine propagandistisch-politischen Schlagworte. Das
zeigt sich ebenso in seinen Briefen an Straßburger Freunde wie in Briefen ins1
Oberland, — wenn man schon die Kalendergeschichten und zeitgeschichtlichen
Glossen des Kalenders als utilitaristisch verdächtigen wollte. Das eigene oberrheinisch
-deutsche Volkstum und dessen Bewußtheit läßt er deswegen nicht fallen,
— wo er etwa Schneegans ermahnt, seine Söhne erst Deutsch und dann erst
Französisch lernen zu lassen, — oder wo er, sich und die Deutschen ironisierend,
von einem nicht erfolgten Besuch Napoleons in Karlsruhe berichtet. Er lehnt es ab,
am großen politischen Theater als Statist mitzuwirken, gleichviel auf welcher Seite.
Er nimmt den Standpunkt des Bauern ein, dem die seinem Acker schädliche oder

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