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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 3/4.1977
Seite: 335
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-03-04/0129
Das Baumeistergeschlecht der Parier und die Spätgotik

am Oberrhein

Fritz Fessenbecker

Auf dem Gebiet der christlich-abendländischen Kirchenbaukunst war über lange
Zeiten hinweg der Westen führend. Als jedoch um die Mitte des 14. Jahrhunderts
der Bürger in den größeren Städten die Vorherrschaft des Adels und der Kirche
brechen und sich zum Träger des Kirchenbauwesens machen konnte, entwickelte
sich diesseits des Rheins ein neuer Stil. Anstelle der auf das Metaphysische ausgerichteten
dunklen Kathedralen der Hochgotik beherrschten von nun an die
hellen, mehr für das diesseitige Denken eingestellten Hallenkirchen mit ihren
gleichhohen Schiffen, ihren breiten meist mehrteilig in zwei Reihen übereinander
angebrachten Fenstern und ihren für das Auge angenehmeren Sterngewölben den
Kirchenbau.

Auch im Bereich der Plastik bahnte sich jetzt ein neues Formgefühl an. Schienen
seither die hochaufgereckten Propheten und schlankaufsteigenden Jungfrauen in
betonter Zartheit und Biegsamkeit in alles Irdische verneinender Entrückung sich
dem Himmel zuzuwenden, so zeigen sich die Gestalten der beginnenden Spätgotik
ganz in der Tracht der Zeit gekleidet. Die idealisierende Schönheit weicht
einem kräftigen Realismus, in welchem der persönliche Stil des Bildhauers besser
als vorher sich auszudrücken vermochte. — Der Parierstil kündigt sich an.

Die älteste Hallenkirche im oberdeutschen Raum ist die Heilig-Kreuz-Kirche
in Schwäbisch Gmünd. Der Grundstein zu ihrem Langhaus wurde um 1321, der
zum Chor im Jahre 1351 gelegt. Noch mehr als das Langhaus sollte der neue Bau
sich vom bisherigen Stil der Hochgotik abheben. Zur Planfertigung und Bauleitung
berief der Rat der damaligen Reichsstadt den Parlier Heinrich Parier aus
Köln.

I. Heinrich Parier, Parlier in Köln, Magister in Schwäbisch Gmünd (1351 —1377)

Einen Hinweis auf die Herkunft Meister Heinrichs gibt uns eine aufschlußreiche
, jedoch nicht ganz eindeutige Inschrift auf einer Tafel über der Büste seines
Sohnes Peter im Lauf^ang des St. Veitsdomes in Prag. Sie beginnt (ergänzt) mit
folgenden Worten: PETRUS HENRICI (P)ARLERI DE (C)OLONIA MA-
GISTRI DE GEMUNDEN IN SUEVIA.

Nach Dr. Kletzl, einem der besten Kenner der deutschen Spätgotik, kann dieser
Text nur folgendermaßen gedeutet werden: Peter, der Sohn Heinrichs, des
Parliers *) aus Köln, des Magisters aus Gmünd in Schwaben . . .

Ins helle Licht der Baugeschichte trat Heinrich mit seiner Berufung zum
Magister an der Bauhütte der Hl.-Kreuz-Kirche in Schwäbisch Gmünd. Von
seinen vier Söhnen — Heinrich, Peter, Johannes und Michael — tatkräftig unterstützt
, brachte schon nach kürzester Bauzeit sowohl die Fachwelt als auch die
Öffentlichkeit dem neuartigen Chorbau die ihm gebührende Beachtung entgegen.
Sogar am Kaiserhof war bald der Name Parier bekannt, ja es bedurfte nur
weniger Jahre, bis die Bürgerschaft namhafter Städte mit Stolz die leitenden
Posten ihrer Bauhütten mit Söhnen, Enkeln und Schülern Heinrichs besetzt sahen.
Als anfangs 1377 am Chor der Hl.-Kreuz-Kirche die Arbeiten zu Ende gingen,
wirkte dieser mit seinem Umgang und Kapellenkranz weitaus angenehmer als
das noch auf basilikalem Umriß errichtete Langhaus. Zu Recht galt der Hallenraum
als vorbildlich für den spätgotischen Kirchenbau.

Als einer der ersten Wegbereiter zur Spätgotik, auch Bürger-, Sonder- und
Pariergotik genannt, sowie Stammvater eines lebensstarken Baumeistergeschlechts
ging der Name Heinrich Parier in die Baugeschichte ein.

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