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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 164
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0170
Das Problem der ästhetischen Normen in der

bildenden Kunst

von Paul Ibenthaler

Soweit wir, durch Zeugnisse belegt, menschliche Existenz zurückverfolgen können
, tritt uns auch Kunst als Produkt menschlicher Absicht und Tätigkeit entgegen
, sei es kommunikativ als Mitteilung oder Beschreibung, sei es als Symbol
von Schönheitsidealen, sei es als magisch-religiöse Ausdrucksform oder als Welt-
und Selbsterfahrung im Kunstwerk.

Die Kunst begleitet die Völker bei ihrem Aufstieg aus der geschichtlichen Anonymität
mit ihren archaischen Formen über die Höhepunkte der Klassik bis zum
dekadenten Niedergang und Wiedereintauchen in die Sprachlosigkeit. Sie begegnet
uns aber auch als Primitivkultur bei den Naturvölkern bis hin zu steinzeitlichen
Entwicklungsstufen.

Die geschichtlichen Abläufe mit ihren Veränderungen des Denkens und den
sich wandelnden gesellschaftlichen und ökonomischen Lebensweisen finden in der
jeweiligen Kunst ihre bildnerische Ausprägung, die neben der ästhetischen eine
historische Bedeutung hat.

In einer jahrtausendealten Entwicklung ist der Aufgabenbereich der bildenden
Kunst immer kleiner geworden, und er beschränkt sich heute weitgehend auf das
ästhetische Feld und auf die subjektive Welt- und Selbsterfahrung im Kunstwerk.
Die zweckgebundene Mitteilung und Beschreibung als kommunikativer Teilbereich
der Kunst hat die Schrift und der Buchdruck übernommen, während die
exakte naturalistische Darstellung und Dokumentation eine Domäne der Photographie
und des Films geworden ist. Durch den Bedeutungsverlust dieser Bildfunktionen
ist das ästhetische Element als eigentliche Motivierung für Kunst übrig
geblieben, was jedoch nicht heißt, daß eine exakt naturalistische Darstellung oder
ein beschreibendes Darstellungsschema sich nachteilig auf den ästhetischen Wert
eines Bildes auswirken muß. Ebenso wenig wird ein Kunstwerk dadurch ästhetisch
wertvoll, daß es den Bezug zu diesen außerästhetischen Funktionen oder zur
sichtbaren Welt aufgegeben hat.

Die Lösung des Kunstwerks aus seiner Beziehung zur Natur, die Befreiung von
der Aufgabe, wiedererkennbare Gegenstände zu bezeichnen, und die Befreiung
von allen außerästhetischen Zwecken verweist die Kunst in den von Kant in
seiner „Kritik der Urteilskraft" beschriebenen ästhetischen Bereich des „interesselosen
Wohlgefallens" — „ohne Vorstellung eines Zweckes". Das Kunstwerk ist
allein durch seine Formensprache Kunst, und seine Bildelemente — Linie, Fläche,
Farbe — sind seine unmittelbaren Ausdrucksträger . . .

Damit wird der bisher verbindliche Wertmaßstab künstlerischen Könnens in
Frage gestellt. Dieses Können erwies sich darin, die perspektivischen und anatomischen
Gesetze zu beherrschen und naturalistisch anzuwenden. Der alte Maßstab
mußte den neuen ästhetischen Kriterien Platz machen. An die Stelle der begrenzten
Raumvorstellung und der eindeutigen, auf Gegebenes bezogenen Darstellungsabsicht
traten unabgeschlossene Gebilde eines fortdauernden künstlerischen
Entstehungsprozesses, der nach rein subjektiven Gesichtspunkten abläuft und als
Eingebung des Künstlers seine Reflexion über Erfahrungen und Erlebnisse widerspiegeln
soll. Das Bild wird zum Beispiel für künstlerischen Selbstausdruck in
reiner Form.

Diese Voraussetzungen sind die Ursache für die gegenwärtige Situation der
Kunst mit ihrer verwirrenden Vielfalt und Beziehungslosigkeit. Der mangelnde
allgemein verbindliche Wertmaßstab für Kunst und die Tatsache, daß sich Kunst
im einzelnen nicht schlüssig beweisen läßt, weil Qualität nicht meßbar ist, zwingt

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