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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 1/2.1980
Seite: 69
(PDF, 39 MB)
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Zahlungen an die Landesherren demonstrierte. Besonders das einträgliche Rebland
befand sich fast ausschließlich im Besitz der Grundherrschaften und war an Winzer
verpachtet, die ihre Pacht in Form des Zehnten zu entrichten hatten. Zur besseren
Kontrolle der Ernte und Ermittlung des Zehnten wurde oft das gesamte Lesegut
in den Kellern der Grundeigentümer gekeltert und der Wein von diesen abgesetzt.
Folglich verfügten die Winzer weder über Kelter- und Verarbeitungseinrichtungen
noch über einen Vertriebsapparat, als sie ihre wirtschaftliche Freiheit erlangten.
Darüberhinaus wurde vor allem in Süddeutschland die Lage der Winzer durch das
geltende Erbrecht ständig verschlechtert, da sich durch die Realteilung die Größenstruktur
der Winzerbetriebe ständig verringerte. In den Weinbaugebieten der Mosel
und des Rheins war die Situation eine andere, da dort die Winzer seit dem
Mittelalter nicht nur ihre persönliche, sondern auch ihre wirtschaftliche Freiheit besaßen
. Hier entwickelten sich frühzeitig Winzerbetriebe mit eigener Kelterung, Lagerung
und Absatz, sofern der Besitz an Rebland groß genug war. Eine große Anzahl
von Betrieben verfügte jedoch nur über zu geringe Rebflächen, um Weinausbau
und Verkauf selbst durchführen zu können. Sie waren gezwungen, ihre Ernte an
Händler oder größere Weinbergbesitzer zu verkaufen und gerieten dabei in völlige
Abhängigkeit von diesen, da Preisabsprachen unter den Aufkäufern die Preise niedrig
hielten und so die Winzer zum Großteil einer zunehmenden Verelendung verfielen
.

Einen Ausweg aus dieser Misere sah F. W. Raiffeisen einzig in der Gründung
von Winzergenossenschaften und beschreibt in den von ihm aufgestellten Statuten
für Winzergenossenschaften und deren Funktion seine Vorstellungen wie folgt
„Zweck des Vereins ist, durch Einsammeln und gemeinsames Keltern der Trauben
seiner Mitglieder reine Weine zu erzielen, diese einheitlich zu behandeln und sodann
durch gemeinschaftlichen Verkauf möglichst hoch zu verwerten 138).a

1854 kam es in fünf Gemeinden des Kreises Wittlich zur Gründung des ersten
Winzervereins, und 1869 wurde in Mayschoß an der Ahr die erste Winzergenossenschaft
gegründet, die nach Raiffeisens Vorstellungen organisiert wurde. Sehr bald
stellten sich die ersten Erfolge in Form höherer Erlöse für die Winzer ein, was dazu
führte, daß allein im letzten Jahrhundert noch zehn weitere Genossenschaften an
der Ahr gegründet wurden und heute etwa 90 °/o der Weinernte dieses Gebietes
über Genossenschaften abgesetzt wird 13P).

Bereits 1891 wurden für das deutsche Reich 26 Winzergenossenschaften angegeben
. Bis zum Jahre 1904 legte die Genossenschaftsbewegung eine rasante Entwicklung
zurück. In 13 Jahren entstanden 150 neue Winzergenossenschaften. 1908 gab
es 197 Winzergenossenschaften mit 11 354 Mitgliedern. Bis 1925 erhöhte sich ihre
Zahl nur geringfügig auf 218, da es in der Nachkriegszeit kaum Absatzschwierigkeiten
für Wein gab.

In den Jahren der Weltwirtschaftskrise stieg die Zahl der Winzergenossenschaften
noch einmal sprunghaft auf 354 mit 22 613 Mitgliedern im Jahre 1934 an.

1950 existierten 508 Winzergenossenschaften. Ihre Zahl stieg auf 541 im Jahre
1960 an und reduzierte sich auf 515 im Jahre 1970, wobei die Anzahl der Genossenschaften
mit eigener Kellerwirtschaft inzwischen bei 240 angelangt ist. Einen
besonders hohen Anteil hat Baden mit einem Anstieg von 450 °/o gegenüber der
Vorkriegszeit zu verzeichnen 140).

Die erste badische Winzergenossenschaft entstand zwar bereits 1881 in Hagnau
am Bodensee auf Initiative des Pfarrers Hansjakob, doch folgten ihr bis zum ersten
Weltkrieg nur 7 weitere in Baden, darunter auch die erste Markgräfler Winzergenossenschaft
in Schliengen. Die Ursache für die langsame Verbreitung der Winzergenossenschaften
ist in der konservativen Einstellung der Winzer und in der massiven
Boykottierung der Genossenschaften durch den Weinhandel zu sehen. Erst nach
dem Zweiten Weltkrieg kam es, als Begleiterscheinung des Rebenwiederaufbaus, zu
zahlreichen Neugründungen, doch war die wirtschaftliche Bedeutung sehr ge-


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