Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 1/2.1980
Seite: 177
(PDF, 39 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-01-02/0183
Rebbaues, deren Herkunft oder Alter noch ungeklärt sind. Z. B. Trotte dürfte
sehr alt sein und so gebräuchlich, daß es von „Kelter" oder „Torkel" nicht verdrängt
werden konnte. Das Wort „Landere" für Spalierreben am Haus oder auf
dem Hausgrundstück wird von Hubert Baum 28) allgemein für Obstspalier vermerkt
und auf mhd. lander zurückgeführt. (Dazu neuhochdeutsch Geländer). Das
kann richtig sein, wenngleich Lexer 18) die Bedeutung „Stangenzaun" angibt. Die
Übertragung der Bedeutung vom Gerüst auf die daran gezogenen Obst- und
Rebenspaliere ist sehr wohl möglich. Auffällig ist, daß das Schweizerdeutsche
Wörterbuch dieses Wort nicht kennt. Es könnte aber auch eine Verwandtschaft mit
gallisch „lantana" = Schlinggewächs bestehen. Dieses Wort hat Entsprechungen im
Kymrischen und älteren Bretonisch iT). Altirisch ist „lata" = Ranke, Liane belegt.
Diese Bedeutung erinnert an die Grundbedeutung von „rebe" als Schlingschößling
und zwar als Wurzeltrieb, „lata" dagegen dürfte das Bild der fertigen Pflanze
meinen. Obwohl die Unterschiede der beiden Bedeutungen klar sind, sind doch die
bildlichen Vorstellungen, die ihnen zugrunde liegen, sehr nahe beisammen. Für
„lata", „lantana" wird übrigens wegen des biegsamen Lindenbastes auch Urverwandtschaft
mit dem Namen des Lindenbaumes erwogen.

Bei unsicheren Deutungen gerade alter volkssprachlicher Wörter sollte man
versuchen, über das Mittelhochdeutsche hinausgehend, auch mögliche Zusammenhänge
mit älteren Sprachschichten nicht außer acht zu lassen.

Wörterverzeichnis althodideutsch und mittelhochdeutsch „rebe"
ahd) reba raeba, repaplat, rebekunni, rebemezzers, rebesnit, rebestoc, rebazwl.
mhd) vvildiu rebe, balsamrebe, gunderebe, herzerebe, chürbisrebe, leitrebe, winrebe,
rebacker, reb-banwart, rebboum, rebe-berc, rebe(n)blat, rebehof, rebeholz, reben-
kneht, rebeloup, reblehen, rebenleser, rebliute, rebman, rebmanot, rebesche (Rebenasche
), rebemezzer, rebouge, reböugelin, rebschopf, reb(e)seil, rebsnuor, rebstal
(Platz), rebstecke, rebstichel, rebstoc, rebstücke (Teil eines Rebgutes), rebentruwe.
rebwerc, rebenwide.

8. Schluß

Liegt also ein Sprachwandel, regionaler Natur, von der Wortgruppe um Wein-
zu der um Rebe- vor? Die Frage muß verneint werden. Wir haben es mit einem
Dualismus der beiden Wortgruppen auf verschiedenen Sprachebenen zu tun. Mit
der sicher älteren volkssprachlichen Ebene, der „Rebe" mit seinen Zusammensetzungen
angehört, und die sehr tief in eine Vergangenheit ohne schriftliche Überlieferung
zurückreichen muß. Sie hängt vielleicht noch zusammen mit der Übernahme
mindestens der Nutzung, wenn nicht einer gewissen Kultur der Waldrebe
an Hoch- und Oberrhein. Die jüngere Sprachebene, der die Wein-Gruppe zuzuordnen
ist, ist hochsprachlicher Natur, zuerst lateinisch-galloromanische Ver-
waltungs-, Kirchen- Herrschaftssprache. Aus dieser zunächst fremden Hochsprache
sind unsere Wein-Wörter über die noch lateinischen Urkunden und die Verwaltungssprache
der Karolingerzeit als Lehnwörter ins Althochdeutsche und von
da in die schriftsprachliche Tradition übernommen worden. Nur in Gebieten
ohne Weinbautradition sind diese schriftsprachlichen Normen auch in die gesprochene
Sprache eingedrungen. Und offenbar gilt dies auch für die Weinbaugebiete
, in denen zuvor die Wildrebe unbekannt war. Etwa für Württemberg,
wo der Rebberg heute noch „Wengert" und der Rebbauer „Wengerter" heißt.
Umgekehrt gilt — ohne daß wir dies genau abgrenzen könnten — daß im Verbreitungsbereich
der nutzbaren Waldrebe das volkssprachliche „rebe" mit den
der Arbeitswelt zugeordneten Zusammensetzungen die Wein-Gruppe auch im
schriftsprachlichen Bereich verdrängt hat. Mit ganz wenigen Ausnahmen: Das
Wort „Weinbau" hat eine eigene Norm für das ganze deutsche Sprachgebiet begründet
. Es gibt nur Weinbaugebiete, Weinbauverbände, eine Weinbaulobby
und einen zugehörigen Weinbauminister.

177


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-01-02/0183