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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 211
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-03-04/0005
Das Ende des alten Dorfes?

Über das Erkennen der veränderten ländlichen Verhältnisse
zur Erhaltung der dörflichen Bausubstanz

von Günter Schöning

Ein Großteil der Bevölkerung lebt und wohnt auch heute noch auf dem Lande.
Aber das ist natürlich schon längst nicht mehr die gleiche Landbevölkerung wie vor
mehr als 100 Jahren, vor dem industriellen Zeitalter. Die technischen und gesellschaftlichen
Umwälzungen haben nicht nur die Bevölkerungsstruktur auf dem
Lande verändert, sondern auch das Bild der Dörfer. Und dieser Prozeß der Veränderungen
ist noch längst nicht abgeschlossen, wir sind noch mitten darin.

Das Gesicht unserer Markgräfler Dörfer war und ist auch zum überwiegenden
Teil heute noch von der Landwirtschaft geprägt, denn hier hatte sich über
Jahrhunderte hinweg eine bäuerliche Kultur entwickelt, die sich deutlich von der
städtischen Kultur unterschied. Arbeits- und Lebensraum waren eng miteinander
verbunden, der Lebenserwerb konnte in diesem engen Dorfbereich sicher abgedeckt
werden. Auch die Versorgung mit Kleidern, Schuhen, Geräten u. a. konnte
im Dorf selber gedeckt werden. Das wird deutlich, wenn wir in der Chronik
z. B. von Mappach die Aufzählung der Handwerker des Dorfes im Jahre 1790
finden: Von 276 Einwohnern gab es neben den Bauern 7 Weber, 4 Schuhmacher,
2 Schneider, 2 Hufschmiede, 2 Küfer, 1 Maurer, 1 Zimmermann und 1 Wagner.
Daneben finden sich außer landwirtschaftlichen Berufen wie Schafhirten und Tag-
löhnern in dieser Zeit auch noch Hafner, Blattmacher, Erzgräber. Heute gibt es
in einem Dorf wie Mappach keinen einzigen selbständigen Handwerker mehr.

Die aufgezählten Weber arbeiteten allerdings zu dieser Zeit schon größtenteils
in Kommission für eine Textilfabrik in der Bezirksstadt Lörrach, waren also schon
auf die Stadt angewiesen. Die Dorfhandwerker waren schon in den vergangenen
Jahrhunderten so etwas ähnliches wie Nebenerwerbslandwirte mit bescheidenem
kleinen Wohnhaus, Stall und Scheune, alles meist unter einem Dach. So finden wir
noch heute zwischen den eigenständigen, selbstbewußten Hofstätten diese klein
und eng strukturierten Dorfbereiche der Handwerker und Taglöhner, in denen,
wie der Chronist von Mappach vermerkt, die Dorfbewohner „zu wenig zum Leben
neben dem Mut zum Uberleben" hatten, so daß sie im 19. Jahrhundert gezwungen
waren, „dem Zug der allgemeinen Auswanderung zu folgen, seit 1817 in
das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, nach Nordamerika, nach 1870 aber auch
nach Basel als Dienstboten, wo sie ob ihres Fleißes beliebt waren, während schon
zuvor, seit der Ansiedlung der Textilindustrie durch Basler Unternehmer im vorderen
Wiesental nach der Deutschen Zollunion (1835) sich viele Burschen und
Maidli als ,Fabrikler' in den Kosthäusern der neuen Zwingfrau Industrie niederließen
".

Hiermit wird der einsetzende Wandel deutlich, der Beginn der allmählichen
Veränderung vom in sich abgeschlossenen Dorfleben vergangener Jahrhunderte zur
Mobilität unserer Zeit. Diese Veränderungen haben auf dem Dorf deutlich sichtbare
Spuren hinterlassen. Dennoch erkennen wir heute in den Markgräfler Dörfern
noch die ursprüngliche, eigene dörfliche Baukultur. Hier wurden früher keine
Formelemente, keine Materialien der Stadt blindlings übernommen. Die Dorfbewohner
blieben ausschließlich in ihrem Bereich tätig, genauso wie die Handwerker
der Stadt nur in der Stadt arbeiteten. Die mittelalterlichen Städte der Region
wie Basel — Freiburg — Straßburg hatten untereinander regen kulturellen und
materiellen Austausch, pflegten intensive Handelskontakte, die Dörfer dagegen
so gut wie gar nicht. So ging die Entwicklung der Zeit meist am Dorf vorbei. Aus

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