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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 331
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-03-04/0127
Alemannische Volkslieder

Die zeitgenössische Beurteilung der Gedichte Johann Peter Hebels

von Joachim Kühn

Eine die ganze zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bewegende Frage ist die nach
Möglichkeit und Gestalt einer sowohl das „Volk", den vulgus in populo '), aufklärenden
und erhebenden als auch die „Gebildeten" und die höheren Stände
ästhetisch befriedigenden Literatur. Volksdichtung (das Wort richtig gefaßt) ist
die erhabenste aller Dichtungen. Große und wichtige Wahrheiten und Begebenheiten
sind ihr Hauptgegenstand. [...] Die größten Dichter waren auch immer
die populärsten" 3) steht in der Einleitung zu einer Volksliedsammlung von 1795.
Aus der Frage, wie das Wort richtig zu fassen sei, hatte sich wenige Jahre
zuvor der berühmte Angriff Schillers auf Bürger ergeben, in dem Schiller die
weithin akzeptierte Vorstellung vom wahren Volksdichter vertrat:

Ein Volksdichter für unsere Zeiten hätte also bloß zwischen dem Allerleichtesten
und dem Allerschwersten die Wahl: entweder sich ausschließend der
Fassungskraft des großen Haufens zu bequemen und auf den Beifall der
gebildeten Klasse Verzicht zu tun — oder den ungeheuren Abstand, der
zwischen beiden sich befindet, durch die Größe seiner Kunst aufzuheben und
beide Zwecke vereinigt zu verfolgen 4).
Diesem Ideal entsprach nach Auffassung der Zeit insbesondere Johann Heinrich
Voss.

Die Allgemeine Literaturzeitung schreibt 1785 in der Rezension des ersten
Bandes der Gedichte, viele seiner Lieder würden vom Volke gesungen, seien „wahre
Volkslieder" geworden 5), und fährt dann fort:

Was aber die Lieder, die Hr. Voss gedichtet hat, so vorzüglich ehrenwerth
macht, ist nicht, daß sie vom Volke gesungen werden, (denn wie viele elende
Verse, die nicht das mindeste poetische Verdienst haben, laufen nicht in
Ermangelung besserer, unter dem Namen Volkslieder, herum, und sind so gar
von guten Meistern mit Melodieen versehn worden,) sondern darin besteht
ihr eigentümlicher Vorzug, daß sie den edelsten der Nation gefallen müssen,
und dennoch in einer Sprache gedichtet sind, die selbst jedem der niedern
Klasse des Volkes verständlich ist oder leicht verständlich gemacht werden
kann. Solche Lieder haben das doppelte Verdienst, den feinen Kenner zu
vergnügen, und zugleich die Empfindung des gemeinen Mannes um einige
Grade zu erheben, die Rohigkeit seiner Denkart, Sitten und Sprache zu
mildern, und so auf die Verbesserung des Nationalgeistes im ganzen zu
wirken ').

Die Gedichte seien „wahre Nationalgesänge", sie vereinigten in sich „Popularität
" und „Urbanität", Sprache und Charakter der einfachen, bäuerlichen Helden
sei getroffen, ohne den Geschmack der höheren Stände zu beleidigen, gerade in
dieser Hinsicht erinnere Voss an Theokrit 7).

Neben der Polemik gegen die Lieder aus dem Volke, die sogar noch von
bedeutenden Künstlern vertont würden, der Polemik also gegen die beginnende
romantische Beschäftigung mit dem Volkslied, finden sich in dieser Rezension
die Grundzüge der aufklärerischen Volksliedvorstellung. Volkslieder sind demnach
Gedichte, die, von guten Komponisten vertont, vom einfachen Volk gesungen
werden, aber auch den edelsten der Nation gefallen, die das Volk versteht
und der Kenner genießt und die nicht zuletzt den gemeinen Mann veredeln und
bessern. So werden aus den „wahren Volksliedern" „wahre Nationalgesänge", die
alle Schichten ansprechen, aber doch in bezeichnenderweise unterschiedlicher Art:

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