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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 345
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-03-04/0141
Über das Wort Narr

von Chr. M. Vortisch

Diese Wortglosse geht zurück auf eine Anregung durch die Spalte von „öbber
vo neume" im Oberbadischen Volksblatt'), in der in der Kirschenzeit die Wörter
für mißratene, unreife Früchte „Bloderediöpf, Narre und Schornigeli" vorgestellt
worden sind. Wir wollten die Herkunft, die Etymologie dieser Wörter genau
wissen. Wie sind sie entstanden?

Bloderediöpf sind mißförmige, blasige Zwetschgen ohne Stein, ihren Namen
haben sie von der Gestalt. Schornigeli findet man in Dialektwörterbüchern, wie
bei Hubert Baum 2), der es als „Fruchtansatz der Kirsche" erklärt und es vom
lateinischen sanicula ableiten möchte. Sprachlich wäre es möglich. Das Badische
Wörterbuch können wir zum Buchstaben S noch nicht befragen, es ist noch
lange nicht soweit. Am ausführlichsten und für unseren hochalemannischen Dialekt
immer noch unentbehrlich ist das Schweizerdeutsche Wörterbuch (Idiotikon). Dort
nun fällt auf, daß dieses Wort in den Formen Scharnickel, Sanickel, Saniggel
ausschließlich als Name eines Krautes der Volksmedizin genannt ist, das es
übrigens auch heute in Drogerien und Apotheken zu kaufen gibt. Daß das Wort
in dieser Bedeutung aus dem lateinischen Wortschatz der medizinischen Kräuter
der mittelalterlichen Klöster und Klostergärtner allenfalls aus dem Küchenlatein
überliefert ist, ist offensichtlich richtig. Es fällt aber auf, daß hier unser Wort
in der Bedeutung für die unentwickelte Kirsche, wie wir sie kennen, ganz fehlt.
Vielleicht wurde sie nur zufällig übersehen. Ein Fragezeichen bleibt.

Bei dem Wort Narren haben wir es mit einem Ausdruck zu tun, der nicht
nur mundartlich, sondern ja auch hochdeutsch-schriftsprachlich in mehreren abgestuften
Bedeutungen, verbunden mit einem ganzen Wortfeld, gebraucht wird.
Die Herkunft gerade dieses Wortes ist aber bis heute ungeklärt. Deshalb wollen
wir es hier nicht mit einem Fragezeichen bewenden lassen, sondern versuchen
herauszufinden, ob die volkssprachlich überlieferten Bedeutungen nicht auf eine
gemeinsame Wurzel zurückzuführen sein können.

Alle Wörterbücher sind sich darin einig, daß das Wort Narr ursprünglich nur
im Hoch- also Oberdeutschen gebraucht war und von hier erst ins Niederdeutsche
und in die nordischen Sprachen eingegangen ist, und daß es sprachgeschichtlich
„umstrittener Herkunft" (Kluge Goetze)3) oder „dunkler Abstammung" (Moriz
Heyne) 4) ist. Sie sind sich weiter darin einig, daß sie nur die verschiedenen
Bedeutungen und Abstufungen für die Grundbedeutung „unvernünftiger Mensch,
Verrückter" und die dazugehörigen Adjektive und Tätigkeitswörter kennen.
Heyne denkt an eine Herleitung aus Schallnachahmung, Kluge/Goetze zitieren
das Etymologische Wörterbuch von F. Diez, der Ableitung von einem lateinischen
„närio" Naserümpf er, Spötter empfiehlt. Auch der neue „Wahrig Deutsches Wörterbuch
" 5) bringt keine neuen Erkenntnisse der Wortforschung.

Hier setzt nun die Kenntnis unseres oberdeutschen alemannischen Wortschatzes
ein. Narren sind zunächst mißgebildete, unentwickelte Blüten und unentwickelte,
unfruchtbare, mißgebildete Früchte, deren Wachstum sich nicht über das Anfangsstadium
hinaus fortsetzt, sie bleiben grün oder gelb und fallen ab. Das Idiotikon
kennt die Bezeichnung Narren auch für die eben beschriebenen „Bloderediöpf"
und ebenso für „Nüsse ohne Kern". Die Belege sind sehr vielseitig und dazu
gehört auch die Redensart „Narr im öpfelmues", wobei eben diese unentwickelten
grünen Äpfelchen gemeint sind. Eine weitere Bedeutung von Narr kennen
wir bei den Flurnamen. Es gibt da und dort einen „Narrenberg" oder andere
mit Narr gebildete Flurnamen für Geländestücke. Die Meinung, diese Namen-
gebung habe mit alten Formen der Fasnacht zu tun, ist fragwürdig. Weitaus
die meisten Geländebezeichnungen, die mit der Fasnacht zu tun haben, gehen

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