Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 1.1981
Seite: 127
(PDF, 31 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-01/0129
Dorf und Stadt - ein lebendiger
Organismus

von Gerhard Kaufmann

1. Dorf und Stadt — ein lebendiger Organismus

Die mit dem anbrechenden Industriezeitalter in Gang gekommenen technischen Entwicklungen
haben auch vor dem Wohnungsbau nicht Halt gemacht. Sowohl in quantitativer
als auch in qualitativer Hinsicht sind die Fortschritte, gemessen an den Leistungen
vergangener Jahrhunderte, enorm. Wohnhygiene und Wohnkomfort haben einen
Stand erreicht, der kaum mehr zu überbieten ist. Die vorhandenen Planungs- und Baukapazitäten
führen in den meisten westeuropäischen Ländern zu jährlichen Wohnungsproduktionen
in der Größenordnung mittelalterlicher Städte. Trotz dieser gewaltigen
Leistungen werden Architekten, Baumeister und Städteplaner ihrer Taten nicht recht
froh. Es fehlt ihren Schöpfungen die Seele, die Harmonie des Natürlich-Zufälligen. Es
kommt daher nicht von ungefähr, daß sich das Interesse wieder vermehrt dem zuwendet,
was in einem jahrhundertelangen Prozeß entstanden ist, bzw. dem, was der Zweite
Weltkrieg und die seither enorm perfektionierte Abbruchtechnik davon übrig gelassen
haben: unseren organisch gewachsenen alten Städten und Dörfern.

2. Die Erhaltung historischer Bausubstanz — nicht nur ein technisches Problem

Die wachsende Erkenntnis, daß eine Stadt, ein Dorf mehr ist als nur eine Anhäufung
von Wohnungen, hat dazu geführt, daß der Erhaltung des Kunstwerkes »Siedlung« wieder
vermehrte Bedeutung zugemessen wird. Es wird in unseren Städten und Dörfern in
einem Umfang renoviert und restauriert, der früher nicht für möglich gehalten wurde.
Handelt es sich im städtischen Kerngebiet meist um Wohnbauten, die mit einem mehr
oder weniger großen Aufwand wieder ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung zugeführt
werden, so liegen die Verhältnisse im ländlichen Gebiet völlig anders. Das meist
unter ein und demselben Dach die Funktionen Wohnen, Arbeiten, Vorrats- und Viehhaltung
vereinigende Bauernhaus vermag den Ansprüchen einer in ihrer Arbeitsweise
völlig veränderten Landwirtschaft nicht mehr zu genügen. Die dumpfen Stallungen, die
sehr arbeitsaufwendigen Heu- und Strohbühnen, die oft kunstvoll aufgetürmten Miststöcke
und Brennholzvorräte gehören der Vergangenheit an, das Bauernhaus im herkömmlichen
Sinne hat seine Funktion verloren. An seine Stelle ist der vollmechanisierte
und spezialisierte landwirtschaftliche Produktionsbetrieb getreten. Als Folge dieser
Wandlung sind unsere Dörfer einer Bedrohung ausgesetzt, die weit über das hinausgeht,
was vernachlässigter baulicher Unterhalt den alten Bauernhäusern an Schaden zugefügt
hat. Ein Augenschein in einem Baselbieter Dorf - als Beispiel sei Anwil genannt — belegt
dies drastisch: die entlang der Dorf Straße aufgereihten markanten Dreisässenhäuser wirken
verlassen, die alten grauen Häuserzeilen machen einen ausgestorbenen Eindruck.
Hinter dem alten Dorf erheben sich die neuen Höfe, meist in der Form moderner Industriebauten
. Die Zahl der Landwirte hat sich verringert, von den einzelnen Höfen aus
wird heute ein Mehrfaches der früheren Fläche bearbeitet. Ungewiß ist das Schicksal der
meist nur noch von der älteren Generation bewohnten Altbauten, hie und da finden sich
Städter, die Geschmack daran finden, ein solches Haus zu erwerben und es zu einem
Wochenendrefugium auszubauen. Für die Dorfgemeinschaft sind derartige Acquisitio-
nen selten eine Bereicherung.

127


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-01/0129