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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 192
(PDF, 36 MB)
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hat ganz wesentlich die Entwicklung hin zum Kapitalismus begünstigt. So könnten Max
Webers Überlegungen zu dieser Problematik ganz grob zusammengefaßt werden. Nach
dieser ethisch-religiösen Richtung ist die Arbeit nun - anders als in der Antike oder noch
im Mittelalter - »von Gott vorgeschriebener Selbstzweck des Lebens überhaupt. «2jl Der
Muße, der Besinnung und dem Genuß wird keinerlei Wert beigemessen; im Gegenteil:
Das Ausruhen auf dem Besitz und der Genuß des Reichtums hätte unweigerlich sittlich
verwerfliche Sünden wie Müßiggang und fleischliche Begierden zur Folge. Unentwegtes
geschäftiges Handeln mit dem Ziel der Besitzvergrößerung sind geboten, um solche
Konsequenzen zu vermeiden und Gott zu gefallen, für den letzten Endes gearbeitet
wird. Eine Arbeit ist dann sinnvoll, wenn sie Gott wohlgefällig und vor allem nützlich
ist. »Die Nützlichkeit eines Berufes und seine entsprechende Gottwohlgefälligkeit richtet
sich zwar in erster Linie nach Maßstäben der Wichtigkeit der darin zu produzierenden
Güter für die Gesamtheit, aber alsdann folgt als dritter und natürlich praktisch wichtigster
Gesichtspunkt: die privatwirtschaftliche Profitlichkeit. Denn wenn jener Gott,
den der Puritaner in allen Fügungen des Lebens wirksam sieht, einem der Seinigen eine
Gewinnchance zeigt, so hat er seine Absichten dabei. Und mithin hat der gläubige Christ
diesem Rufe zu folgen, indem er sie sich zunutze macht.«24' Solches Gedankengut hat
Max Weber zufolge entscheidende Anstöße für die wirtschaftliche Entwicklung hin zum
Kapitalismus gegeben, indem es Legitimationsgrundlage für spezifische Handlungsund
Verhaltensweisen vieler wirtschaftenden Menschen Westeuropas wurde und ihre
ganze Lebensweise und Weltanschauung mitbestimmte.

Gewisse charakteristische Eigenschaften, wie sie dem Schweizer, aber auch dem
Markgräfler dieses Zeitalters zugeschrieben werden, können durchaus auch auf diese
ethisch-religiöse Grundhaltung zurückgeführt werden. Dietsche z.B. stellt fest, daß
durch den Ubergang zum reformierten Bekenntnis der Handelssinn und rationaleres
Denken bei der Bevölkerung gefördert worden sei.231 Gothein spricht von einem »lebhaft
entwickelten Erwerbssinn« dieser Menschen,26' und G. Müller schließlich glaubt,
daß der protestantische Glaube in viel größerem Maße als der katholische »die Ausdehnung
des sich mächtig regenden kapitalistischen Geistes« begünstigt habe. '

Dementsprechend konnten auch neue Ideen und Wirtschaftsformen, die in der
Schweiz bereits Fuß gefaßt hatten, im unteren, protestantischen Wiesental viel schneller
und leichter zum Tragen kommen, als im oberen - katholisch bleibenden - Talabschnitt.
Und dies nicht zuletzt deshalb, weil sich die markgräflich-badische Verwaltung den neuen
Wirtschaftstheorien gegenüber aufgeschlossen zeigte und sie nach Kräften förderte.

2.3 Wirtschafts- und Sozialpolitik zur Zeit Markgraf Karl Friedrichs und des Lörracher
Landvogts von Wallbrunn

2.3.1 Merkantilistische Züge in der Wirtschaftspolitik

Der Merkantilismus war noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in vielen absolutistischen
europäischen Staaten die vorherrschende und auch praktizierte Wirtschaftsform
. Auch in Baden wirkte er sich praktisch aus, wenngleich hier keineswegs von einem
»lupenreinen« Merkantilismus gesprochen werden kann. Dazu lag das Hauptgewicht
der Wirtschaftspolitik noch zu sehr auf der Landwirtschaft, denn der Staat Baden war
»seiner ganzen Struktur nach noch vollständig abhängig... von dem Ertrage seines Bodens
.«28' Hinzu kommt, daß wichtige merkantilistische Ziele hier nicht zur Realisierung
gelangten. Beispielsweise fehlten ein einheitliches Zollgebiet und Schutzzolltarife; daneben
existierten im Lande nicht einmal überall einheitliche Maße und Gewichte. Im Gegensatz
etwa zu Frankreich kam es unter Karl Friedrich auch nicht zu unmittelbarer Unterstützung
bzw. zur Betreibung staatseigener Fabriken. Von Gemmingen, einflußreicher
Berater des Markgrafen, riet davon ab mit der Begründung, dafür fehle es den Institutionen
an der notwendigen Sachkenntnis und entsprechenden Erfahrungen. Indirekte
Förderung von gewerblichen Anlagen wurde für sinnvoller erachtet, und darüber hinaus

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