Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 200
(PDF, 36 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-02/0022
finanziell von dem ehemaligen Offizier abhängig war. Dieser hatte seinen Besitz durch
viele Beutezüge erheblich vergrößert und während seines Aufenthalts in Ostindien auch
reichlich Erfahrung auf färbe- und drucktechnischem Gebiet sammeln können.67' Ihm
ging es beim Neuanfang 1761 nicht allein um die Wiederbelebung der Druckerei, sondern
besonders um die Ausweitung der Produktionsmöglichkeiten, d.h. hier konkret
um die Angliederung einer »Hanf- und Flachs - praeparations - Spinn- Weberey und
Blaichfabrique«68' als Vor- bzw. Nachstufen des Veredelungsprozesses.

Auf diese Weise sollte eine gewisse Unabhängigkeit von Importen (Rohgewebe u. a.)
angestrebt werden, womit sich die Ziele Gaupps mit denen der - zu diesem Zeitpunkt
noch - merkantilistisch denkenden markgräflichen Behörden weitgehend deckten,
denn: »Wann der zu denen Manufakturen erforderliche Stoff aus anderen Ländern erholet
werden muß, so ist es augenscheinlich, daß solches sowohl die Betreibung als den
Nutzen beschwärlicher macht, und nach Maaß der Entlegenheit so wohl den Fabriken
als dem Land in Ansehung des daraus gehenden Geldes, einen schädlichen Nachtheil
bringt«.69)

Diese Argumentation lag auch ganz im Sinne Wallbrunns, der sich im folgenden auch
für dieses neu zu errichtende Unternehmen beim Markgrafen engagiert einsetzte und somit
wiederum wichtige Anstöße für die industrielle Weiterentwicklung des Lörracher
Raumes gab.

Gaupp brauchte aber für die neue Fabrik gute, im Spinnen und Weben ausgebildete
Arbeitskräfte, welche nach seinen Vorstellungen die nötigen Kenntnisse bei wenigen
»frembden Meistern« erhalten sollten, um danach ihrerseits »so wohl andere zu instruieren
, als auch anderen bei der Fabriquen zur Lehre Platz zu machen«.70' Es müsse sich
möglichst um Besitzlose handeln, die ganz ihrem Beruf leben könnten und nicht ständig
von Feld- und Waldarbeit abgelenkt würden, schreibt er sinngemäß in seiner Bewerbung
vom 8. September 1761.71'

Er geht aber noch weiter und schlägt vor, Kontakte zwischen jungen Spinnerinnen
und jungen Webern zu fördern, »weilen das Heurathen eines Weebers mit einer solchen
Spinnerin vortheilhaftig und nützlich ist...« und »diese unzertrennliche und nützliche
Professionen mit reitzendem Trieb erlernet und ausgebreitet werden (würden)«.72'

Auch solcherlei Vorschläge wurden von den Behörden sehr ernst genommen. Denn es
handelte sich hierbei ja auch um eine bestimmte Form von 'Erziehung durch Arbeit',
und ihre Verwirklichung mußte ja zur Erreichung verschiedener sozial-pädagogischer
Intentionen beitragen. Beispielsweise hoffte man, durch sie den Müßiggang allmählich
zurückzudrängen, das Almosenwesen abzubauen und letztlich die »materielle und geistige
Hebung« der Untertanen zu fördern. Also auch in diesem Bereich trafen sich die
Vorstellungen Gaupps mit denen Wallbrunns und des Markgrafen, welche dem Vorhaben
ihre Unterstützung zusicherten. Aber die in der Folgezeit konkret betroffenen Kinder
, deren Eltern und ganz besonders die Geistlichkeit verhielten sich den neuen Ideen
gegenüber mißtrauisch, wenn nicht gar ablehnend. Ein Geistlicher beklagte sich bitter
bei der Regierung darüber, daß Gaupp weniger eine Fabrik, als vielmehr ein »nach heidnischer
Sitte eingerichtetes Serail« errichte, welches »den Gesetzen des Christentums zuwider
sei und der Gottlosigkeit Mohammeds Tor und Tür öffne«.73'

Erwähnenswert ist vielleicht noch, daß in dieser Phase (1761 /62) die älteste Fabrikordnung
des Wiesentales, wahrscheinlich sogar eine der ältesten Deutschlands überhaupt,
entstanden ist. Auch in ihr spiegeln sich die sittlichen und moralischen Vorstellungen der
damaligen Zeit wider.74' »Gottes Furcht« sowie »Christlich - und Menschen Liebe« galten
in dieser Regelung als oberste Maßstäbe menschlichen Tuns. In dieser »Nachrichtlichen
Ordnung« wurden die Pflichten der hierarchisch gegliederten Arbeitnehmergruppen
(z.B. Buchhalter, Aufseher, Drucker, Handlanger, Tagelöhner, Lehrling, Kinder)
detailliert formuliert.

Die Aufseher beispielsweise hatten die spezielle Pflicht, »sich in der Früh der Erste
einzufinden, um die etwann ausbleibend - oder zu späht kommende Gravierer, Druk-

222


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-02/0022