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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 214
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-02/0036
1834/35: Kaufmann/Hove (Basel); Tuchfabrik in Brombach/Höllstein; 1850: 160 Webstühle
; ab 1869: Firmeninhaber Großmann; 250 Webstühle; über 200 Beschäftigte
.

1835: Merian (Basel); zunächst Textilmaschinenfabrik; wenige Jahre später Erweiterung
um Spinnerei und Weberei mit 205 Beschäftigten und 165 mechanischen
Webstühlen im Jahre 1852.

Diese Beispiele verdeutlichen, daß die Initiative wie auch schon in den Anfängen der
Industrialisierung im 18. Jahrhundert nicht von Einheimischen ausging. Dazu war der
Kapitalmarkt in dieser Region noch immer zu stark unterentwickelt. Eher kann von einer
'importierten' Industrialisierung gesprochen werden, welche innerhalb weniger
Jahrzehnte das Gesicht des Tales radikal veränderte. Bereits 1860 waren insgesamt 33 Betriebe
mit ca. 8000 Arbeitern im gesamten Wiesental zu registrieren, an welche jährlich
im Durchschnitt 2.300.000 Gulden Arbeitslohn ausbezahlt wurden.139'

Diese fast explosionsartige Entwicklung mußte zwangsläufig die bisherige Sozial- und
Wirtschaftsstruktur und damit die gesamten Lebensverhältnisse der Menschen grundlegend
umgestalten.

Der Lörracher Arzt Eduard Kaiser, ein Zeitgenosse dieser Entwicklung, beschreibt
und beurteilt die eingetretenen Veränderungen folgendermaßen, wobei unverhohlene
Kultur- bzw. Zivilisationskritik schon deutlich zum Ausdruck kommt:

»Mit dem Eintritt in den preußischen Zollverein vollzog sich ein Dekorationsund
Stückwechsel in unserem Tal, wie er zum zweitenmal kaum denkbar ist. Das
ganze bürgerliche, soziale, ökonomische, gesellige, finanzielle und gemütliche
Leben der Gegend wurde ein anderes, neues und ungewohntes. Neue Fabriken,
Kapitalien, Maschinen, Berufsarten, Menschen und Arbeiter überfluteten das
Tal, veränderten die Lebensweise der Bevölkerung und beleuchteten nachts aus
tausend Fabrikfenstern eine Gegend, die vorher nur vom Mond beschienen war.
Der Ackerbau trat zurück, die Dörfer an der Wiese vergrößerten sich, eine unbekannte
, unberechenbare Bevölkerung von Schweizern und armen Schwarzwäldern
drängte herein, Wasserbauten und Hochbauten gaben Verdienst und nahmen
Land weg, große Arbeiterwohnungen entstanden neben allen Fabriken,
durch die Maschinen entstanden eine Menge von Unglücksfällen... Der
Kleinbauer mit den Seinigen entzog sich seinem schweren Beruf, ging als Taglöh-
ner in die Fabriken und verlor den treuen Boden unter seinen Füßen. Viele Bauern
wanderten nach Amerika aus und verkauften ihre Gütertermine an die Kapitalisten
der Gegend... die ökonomischen, moralischen und sozialen Tiefschatten
, welche sich an die Entfesselung und Entwicklung der Industrie hefteten und
die jetzt schon ein erschreckliches Dunkel zeigen, sind...Folgen einer ungezügelten
Produktionsgier und der Gleichgültigkeit des Kapitals gegenüber den Gesetzen
der ökonomischen Statik. Die rücksichtslose Ausbeutung der Menschenkraft
durch das Kapital und die Großindustrie wurde durch die Gesetze über Gewerbefreiheit
, Freizügigkeit und durch das Armengesetz...noch gesteigert
...«1401

Kaiser wurde deswegen so ausführlich zitiert, weil seine Gedanken die Hauptprobleme
und Veränderungen widerspiegeln, welche die Industrialisierung in der Lörracher
Region geschaffen hat und auf welche im weiteren Verlauf der Arbeit zumindest teilweise
eingegangen werden soll.

Mit den in den Lörracher Raum hereindrängenden Schwarzwäldern meint Kaiser sicher
die Bewohner der kleineren Ortschaften des oberen Wiesentales, welche die Hausindustrie
als zusätzliche Erwerbsquelle aufgrund zunehmender Maschinisierung und
Zentralisierung mehr und mehr verloren hatten. In der Landwirtschaft war längst kein

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