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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 215
(PDF, 36 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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Platz mehr für alle, weshalb sich viele gezwungen sahen auszuwandern oder sich »freudig
und erlöst in die Fangarme der Industrie«1 l! zu werfen, wie Theodor Humpert es -
ironisch(?) - formulierte. Mit fortschreitender Industrialisierung nahm die Bevölkerung
in den Städten und Fabrikorten (Lörrach, Zell, Schönau, Brombach, Schopfheim u.a.)
stark zu, während sie in den oberen Waldorten in etwa gleichblieb, teilweise sogar zurückging
, wie aus dem nachstehenden Schaubild zu entnehmen ist:



1786

1812

1852

1880

1900

Lörrach

1800

1906

3145

6726

10347

Schopfheim

1080

1210

1941

2160

3520

Zell



1024

1494

2530

3378

Schönau





961



1640

Brombach

460



1115



2100

Geschwend





256



260

Utzenfeld





354



300

Schlechtnau





272

279

275,42)

Von der seit Jahrzehnten schon zu registrierenden 'natürlichen' Bevölkerungsvermehrung
aufgrund medizinischer und hygienischer Fortschritte, welche die Kindersterbhch-
keitsrate stark sinken ließen, sind also wegen der Bevölkerungsumverteilung in besonderem
Maße die Städte und Fabrikorte des vorderen Wiesentales betroffen. Also Lörrach,
Brombach und auch Haagen.

Haagens Einwohnerschaft beispielsweise hat sich in weniger als 100 Jahren vervierfacht
(1781: 253 Einwohner; 1858: 956 Einwohner). Unter den 956 Bewohnern waren
290 Katholiken, Zugezogene aus dem vormals zu Österreich gehörenden katholischen
oberen Tal.14' Diese Menschen vergrößerten die bereits bestehende ärmere Bevölkerungsschicht
, welche sich aus wenig oder nichts besitzenden Tagelöhnern, Kleinbauern,
Kleingewerbetreibenden und Fabrikarbeitern zusammensetzte. Gerade für den besitzlosen
'Nur-Fabrikarbeiter', der vorher vielleicht eine kleine Landwirtschaft oder ein
Kleinhandwerk betrieb, bedeutet die Entwicklung eine einschneidende Veränderung
seiner gesamten Lebensform. Er verliert seine Selbständigkeit und begibt sich in die Abhängigkeit
des Fabrikanten; Wohn- und Arbeitsplatz liegen jetzt möglicherweise weit
auseinander.

Die Wohnverhältnisse in den entstehenden Fabrik-Miethäusern sind teilweise erdrük-
kend. 6, 9 und mehr Arbeiterfamilien sind in ihnen jeweils auf engstem Raum zusammengepfercht
mit all den damit verbundenen hygienischen und gesundheitlichen Problemen
, auf welche Dietsche in seiner Kritik der »häßlichen, winkligen Koloße« bzw.
der »großen Mietskasernen« hinweist.144' 1853 wohnten in solchen fabrikeigenen Häusern
in Haagen bereits 273 Arbeiter mit ihren Familien.'4"'

Neben diesen neu entstandenen Strukturen existierte aber das alte Bauerndorf mit seinen
größeren landwirtschaftlichen Betrieben und seiner relativ wohlhabenden, bodenständigen
Bevölkerung weiter. Dieser Bevölkerungsteil wurde von dem nach 1836
schneller werdenden Strukturwandel kaum erfaßt und änderte seine Lebensform nur
sehr langsam.

Zwischen diesen beiden grob skizzierten Bevölkerungsgruppen können jene zahlreichen
Fabrikarbeiter angesiedelt werden, welche am Dorf- bzw. Stadtrand noch ein Stück
Land besaßen, welches sie neben ihrer Tätigkeit im Betrieb mit ihren Familien zusammen
bewirtschafteten. »Diese kleine Landwirtschaft des Fabrikarbeiters hat seine
Hauptbedeutung im Bewußtsein des Arbeiters, etwas sein eigen zu nennen«.146' Ihn
trifft der Strukturwandel ebenfalls längst nicht so hart, wie den völlig mittellosen, ausschließlich
von der Fabrikarbeit abhängigen Menschen.

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