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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 216
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-02/0038
Zu den wohlhabenderen Einwohnern der Städte und Dörfer zählen mehr und mehr
auch die Unternehmer, deren Direktoren sowie zahlreiche leitende Angestellte der diversen
Produktionsbereiche, welche in ihrer Gesamtheit eine ständig wachsende bürgerliche
Schicht verkörperten.

Auf diese Weise hat sich allmählich aus dem nahezu reinen Bauerndorf mit allenfalls
ein paar kleinen Handwerksbetrieben das heutige mehrschichtige, differenzierte Dorf,
bzw. die Stadt entwickelt. In den Dörfern des vorderen Wiesentales existiert vielfach nur
noch ein bäuerlicher Kern, während die Landwirtschaft aus der Stadt Lörrach, welche
im 18. Jahrhundert selbst noch ein Bauerndorf war, fast völlig verschwunden ist.

Der Grund für diesen Strukturwandel ist nicht nur in der industriellen Entwicklung an
sich zu sehen. Als Voraussetzungen für diesen Industrialisierungsprozeß müssen gerade
auch die Veränderungen im agrarischen Sektor (verfeinerte Ackerbautechniken, rentablere
Bodennutzung, Realteilung, Güterzersplitterung) mitbeachtet werden. Diese
Wandlungen im agrarischen Bereich ließen erst die vielen Arbeitskräfte frei werden, welche
die Industrie für ihren Aufschwung im 19. Jahrhundert benötigte.14"

5.2 Soziale Verhältnisse der Arbeiterschaft

Eine zusammenhängende Darstellung der sozialen Lage der Arbeiterschaft unseres
Raumes für das 19. Jahrhundert existiert nicht. Man ist deshalb auf einzelne, verstreute
Aussagen angewiesen, welche vor allem bei Wolfram Fischer, in verschiedenen Ortschroniken
des Markgräflerlandes sowie in Archivakten zu finden sind. Diese Einzelberichte
haben oft nur Geltung für einen Ort oder eine einzelne Fabrik, weshalb Verallgemeinerungen
kaum möglich sind.

5.2.1 Differenzierung der Arbeiterschaft

Auch die Arbeiterschaft des Lörracher Raumes ist nicht als einheitliche, homogene
Masse anzusehen. Dies trifft schon für die frühindustrielle, in besonderem Maße aber für
die seit den dreißiger Jahren einsetzende hochindustrielle Phase zu. Hierarchisierungen
innerhalb des Arbeiterstandes sind von Anfang an vorhanden. Die Skala reicht vom
Werkmeister über den Vorarbeiter bis hin zum Maschinenarbeiter und schließlich zur
Frau an der Spinnmaschine.148) Am untersten Ende der Skala wären noch als billigste
Hilfskräfte die Kinder anzuführen. Hinsichtlich des sozialen Ansehens, der beruflichen
Qualifikation und damit auch der Entlohnung sind erhebliche Unterschiede zu verzeichnen
. Die besitzlose Spinnerin der Haagener Baumwollspinnerei und die in mancher Hinsicht
privilegierten Drucker oder Modelstecher der Koechlinschen Fabrik, welche sich
selbstbewußt als 'Kunstarbeiter' verstanden, trennen Welten. Für so spezialisierte Fachkräfte
wie beispielsweise die Modelstecher existierte die soziale Frage nie in dem Maße
wie für ungelernte Arbeiter, Tagelöhner und jüngere Arbeitskräfte, welche allerdings die
Masse der Arbeiterschaft ausmachten und für die der im Vormärz aufkommende Begriff
'Industrieproletariat' am ehesten zutrifft. Diese 'Schar der Armen', oft auch als 'Pöbel'
bezeichnet, sollte, den sozialpädagogischen Intentionen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts
gemäß, durch 'Erziehung zur Industrie' vom Betteln und Almosen befreit und allmählich
in die Gesellschaft integriert werden. Aufgrund verbesserter Anbautechniken
und Güterzersplitterungen (vgl. Kap. 5.1) konnte die Landwirtschaft dies allein schon
lange nicht mehr leisten. Den freiwerdenden Arbeitskräften bot sich ersatzweise die Fabrikarbeit
an, welche eher als Erlösung denn als Zwang empfunden wurde. »Gewiß gingen
sie aus der Not in die Fabrik, aber die Not wäre größer gewesen, hätten sie die Fabrik
nicht gehabt«.149'

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