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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 217
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-02/0039
5.2.2 Die erste badische Fabrikordnung vom 12. 1.1837

Dieses Abkommen zwischen den Unternehmern des Wiesentales kam nach längeren
Verhandlungen schließlich mit dem Einverständnis des Lörracher Bezirksamtes zustande
und diente in der Folgezeit mancher anderen Region bei ähnlichen Regelungen als
Vorlage. Es kann als Ergänzung zur badischen Gesindeordnung von 1809 betrachtet
werden, welche zunächst auch für Fabrikarbeiter Geltung hatte, auf deren Belange aber
immer schlechter angewandt werden konnte.

Bis zum Jahre 1837 gab es also keine förmliche einheitliche Regelung der Arbeit in Fabriken
. Die Arbeiterschaft war der Willkür der Fabrikanten völlig wehrlos ausgeliefert.
Auch die neue Ordnung brachte für sie nur wenig nennenswerte Verbesserungen oder
Erleichterungen.l3C! Denn der Fabrikant konnte weiterhin uneingeschränkt über Arbeitszeit
und Arbeitslohn bestimmen, welche sich nach dem Geschäftsgang richteten.
Als Ubereinkunft zwischen den Fabrikanten hatte die Fabrikordnung also alles andere
als 'tarifartigen' Charakter. Im Gegensatz zu früher mußte dem Arbeiter jetzt immerhin
jede Erhöhung bzw. Erniedrigung seines Lohnes am jeweils vorhergehenden Zahltag
mitgeteilt werden. War ihm die Lohnerniedrigung zu beträchtlich, so konnte er nun innerhalb
von 14 Tagen kündigen. Allgemein wurde die Kündigungsfrist jetzt auf 8 Wochen
festgelegt, womit sich die Fabrikanten vor allem gegen kurzfristige Abwerbungen
absichern wollten. Kündigte ein Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß, so durfte er künftig
von keinem anderen Fabrikanten mehr eingestellt werden. Eine weitere Bestimmung
besagte, daß von jedem Arbeitnehmer ein Teil des Lohnes (höchstens 1/10) als 'Sparpfennig
' einbehalten werden sollte, von welchem er am Jahresende 2/3, bei ordnungsgemäßem
Austritt alles zurückerhielt. Dieser 'Sparzwang' richtete sich als erzieherische Maßnahme
wohl vor allem gegen den in den Fabriken stark verbreiteten Alkoholismus.

Die seinerzeit wohl wichtigsten und fortschrittlichsten Einrichtungen sind die Krankenkassen
, welche von der Fabrikordnung zwingend - unter Mithaftung der Fabrikinhaber
- vorgeschrieben wurden. Ein Kreuzer pro Gulden Arbeitslohn, also der 60. Teil,
mußte einbehalten werden gegen Gewährung von Arzt, Apotheke, Krankengeld und
Beerdigungskosten. In dieser Neuregelung, die noch viel älter ist als Bismarcks Sozialgesetzgebung
, ist für den Arbeiter, welcher vorher keinerlei Schutz und Absicherung genoß
, die wohl hilfreichste und sinnvollste Verbesserung zu sehen.

Diese und in den folgenden Jahren und Jahrzehnten hinzukommenden formalen Regelungen
führten mehr und mehr zu einer Versachlichung des Arbeitsverhältnisses, das
früher zumindest in einigen Fabriken durchaus als patriarchalisch bezeichnet werden
kann und jetzt mehr und mehr durch nüchterne starre Regeln, welche die gegeseitigen
Beziehungen ordnen sollten, bestimmt wird. In der frühindustriellen Zeit Johann Friedrich
Küpfers z.B. konnten krasse soziale Mißstände nach Bolliger nicht aufkommen, da
dieser Pionierunternehmer, gleichzeitig praktisch der 1. Arbeiter seines Betriebes, sich
trotz seiner sonstigen charakterlichen Mängel verantwortlich fühlte für das Wohlergehen
seiner Belegschaft. Merian bemerkte einmal in diesem Zusammenhang, daß er »gegen
Arme und besonders gegen seine Arbeiter sehr gut war, den Doctor machte, sie alle
umsonst mit Essenzen, Mixturen und Pulveren traktierte«.131' Eine gewisse, nicht
schriftlich fixierte Fürsorgepflicht des Unternehmers existierte also schon in frühindustrieller
Zeit. Mit der fortschreitenden Industrialisierung ging diese allerdings immer
mehr verloren. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird zunehmend
unpersönlicher, distanzierter und kälter. In manchen Fabriken des vorderen Wiesentales
war dieses kalte, versachlichte Arbeitsverhältnis sicher vorherrschend, für die
Druckerei der Koechlins wird es von Bolliger bestritten: Wann immer möglich seien die
Arbeitgeber-auch jene des 19. Jahrhunderts wie P. Koechlin, L. Baumgartner u. a. - ihren
Untergebenen mit Rat und Tat zur Seite gestanden.1321 Ein nicht so gutes Zeugnis
wird der Firma von Eberhard Gothein ausgestellt. Sie sei zwar - so schreibt er 1891 - ein
»Welthaus ersten Ranges« geworden, aber: »Leider haben sich in ihr auch weiterhin und

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