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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 220
(PDF, 36 MB)
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dings anfangs nur sehr vereinzelt und praktisch wirkungslos - ist auch die Kritik an ihr.
In einem Schulvisitationsbericht aus dem Jahre 1763 ist zu lesen: »Dahier in Lörrach wie
auch in Rötteln und Grenzach richten die Fabriken in der Schule ein Verderben an, dem
sie nicht zu steuern weiß. Die Eltern treiben ein Gewerbe mit ihren Kindern, die in den
Fabriken das Brot sich verdienen müssen und dadurch das Lernen versäumen und die
Sitten verderbt werden. Die Lörracher wie auch die Tumringer und Haagemer gehen in
die Küpfersche Fabrik«.16 Das Hauptdefizit wurde also darin gesehen, daß durch die
frühe Kinderarbeit die allgemeine Bildung der Betroffenen vernachlässigt würde. Konkrete
praktische Lösungsversuche für dieses Problem gab es aber erst in den neunziger
Jahrendes 18. Jahrhunderts. 1791 ergeht von der markgräflichen Regierung eine Aufforderung
an die Unternehmer, dafür zu sorgen, daß der Schulunterricht der Kinder nicht
weiter durch Fabrikarbeit vernachlässigt werde. Um ihrer Theorie der Volkserziehung,
u.a. also auch dem Ziel der 'geistigen Hebung' der Untertanen (vgl. Kap. 2) gerecht zu
werden, ordnet die Regierung Schulunterricht neben der Beschäftigung in der Fabrik an.
Das Oberamt Lörrach gibt diese Forderung auch an die Unternehmer Küpfer und Gme-
lin weiter: »Es ist von gnädigster Herrschaft der Wunsch geäußert worden, daß diesen in
hiesiger Indienne Fabrique arbeitenden Kindern besonderer Schulunterricht gegeben
werden solle« und man ist weiter der Ansicht, »daß für diese Kinder wöchentlich 4 bis 5
mal um 6 Uhr abends eine Stunde Schule gehalten werden könne. Ob nun die Herren Indienne
Fabricanten etwas hierbei zu erinnern haben, darüber erbittet man sich ihre Meinung
« . Küpfer und Gmelin hatten hierzu nichts einzuwenden, denn sie wünschten »dem
guten Vorhaben alles Gedeihliche«.168 Bereits 1792 sollen in dieser ersten Fabrikschule
ca. 70 Kinder unterrichtet worden sein, für welche allerdings nur ein Lehrer zur Verfügung
stand.

Immer drängender wird das Problem der Kinderarbeit im 19. Jahrhundert. Verwaltungsbeamte
, Pfarrherren, Pädagogen und andere Bevölkerungsgruppen, welche früher
nahezu alle den vielfachen Nutzen der Kinderarbeit fast emphatisch gelobt hatten, änderten
ihre Einschätzung etwa ab den dreißiger Jahren mehr und mehr. Allmählich wird
der Aspekt der Ausbeutung in der Kinder- aber auch Frauenarbeit gesehen. Was früher
als Segen angesehen wurde, gilt nunmehr als Last. Von »menschenunwürdiger Fabriksklaverei
«169' ist jetzt die Rede und von drohenden moralischen und gesundheitlichen
Schäden. Allgemein wird nun im Gegensatz zu früher eine gestörte Entwicklung der betroffenen
Kinder befürchtet. »So haben wir doch keinen Grund, an der Thatsache zu
zweifeln, daß die Kinderarbeit, das Idol der bisher geltenden Gewerbepolitik, die
schwersten sittlichen Schäden im Gefolge habe«.170' Wie sich die Problematik im Lörracher
Raum darstellte, wird im folgenden zu zeigen versucht.1 '

In der Koechlinschen Druckerei wurden 1837 etwa 120 Kinder beschäftigt. Verschiedenen
Quellen zufolge wurden sie ausschließlich zu körperlich leichten Arbeiten herangezogen
. Es handelte sich bei ihnen meist um die Kinder von in der Fabrik beschäftigten
Druckern. Sie leisteten ihren Vätern Handlangerdienste, indem sie-als sog. 'Streicher'
eingesetzt - von Zeit zu Zeit einige Ballen mit Farbe zu bestreichen hatten. Dazwischen
muß es für sie viel Leerlauf gegeben haben, denn: »Man sieht die Knaben am Boden bei
ihren Farbkästen sitzen, Schulaufgaben lernen und nur zur Zeit des Bedarfs aufspringen
und Farbe auftragen«172', heißt es in einem Bericht des Bezirksrates, der allerdings erst
aus dem Jahre 1869 stammt.

Demgegenüber muß die Arbeit der Kinder in der Haagener Baumwollspinnerei um
einiges härter und anstrengender gewesen sein. Der folgende Auszug entstammt dem
gleichen Bericht und kann vielleicht einen Eindruck vermitteln von der Monotonie des
Arbeitsablaufs und der permanenten psychischen und physischen Belastung, welcher
schon 11-jährige Kinder in dieser Spinnerei ausgesetzt waren:

»Die hauptsächliche Arbeit ist am Spinnstuhl und wird durch Knaben verrichtet.
Der Knabe ist Gehilfe des Spinners, sehr häufig sein eigenes Kind; er hat folgende

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