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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 221
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-02/0043
Arbeit zu tun: Er muß Spulen von 1/2 Pfund Gewicht auf den Spinnstuhl stekken
, wie sie der Reihe nach abgesponnen werden. Zwei Knaben tragen die Spulen
in einer Kiste von der Tür des Saales bis in die Nähe des Spinnstuhls. Aus der Kiste
nimmt der Knabe eine Spule nach der anderen, legt sie, soviel er zu tragen vermag
, auf seinen linken Arm, geht damit von der Kiste hinter den Spinnstuhl, 4 bis
5 Schritte, legt die Spulen nebeneinander auf einen Tisch am Spinnstuhl, bleibt
dann hinter dem selben stehen und achtet darauf, wie eine Spule nach der anderen
sich abspinnt, worauf er die neuen Spulen auf steckt in einer Höhe ziemlich parallel
mit seinen Augen. Wenn der ganze Spinnstuhl abgesponnen ist, so beginnt ein
neues Geschäft für den Knaben; er trägt ein Körbchen voll Papierhülsen, kleine
Röhren von Kartonpapier etwa 1V2 Zoll lang und 2 Linien dick, welche er der
Reihe nach am ganzen Spinnstuhl auf hervorstehende Stiften in der Höhe seiner
Hüften aufsteckt«!1731
1840 waren bei Sarasin u. Heusler in Haagen 40 Fabrikkinder beschäftigt, welche sich
an manchen Tagen von 7 Uhr bis 21 Uhr in der Fabrik aufhielten. In diese riesige Zeitspanne
fielen Arbeit und Schulunterricht, denn damit die Allgemeinbildung nicht vollständig
verkümmerte, wurde von den Behörden verfügt, daß Kinder nur dann vom regulären
Volksschulunterricht befreit werden durften, wenn sie die vom jeweiligen Fabrikanten
einzurichtenden Fabrikschulen besuchten. So kam es ab 1837 wieder zu Gründungen
von Fabrikschulen in Lörrach und anderen Orten der Region. Während der Verhandlungen
zwischen den Unternehmern und dem Bezirksamt machte Peter Koechlin
1837 das Angebot, für seine 120 Kinder einen Lehrer »nach der für die unterste Klasse
ausgeworfenen Normalbesoldung mit fl. 150 zu bezahlen«!74), sowie die Räumlichkeiten
samt Inventar zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig stellte er als einziger Fabrikant den
Antrag, auch Kinder zwischen dem 8. und 11. Lebensjahr beschäftigen zu dürfen, während
in den anderen Unternehmen das Mindestalter der Beschäftigten 11 Jahre betragen
sollte. Dem Antrag wurde zunächst entsprochen; wenig später wurde das Privileg jedoch
wieder rückgängig gemacht, wobei die Kinder unter 11 Jahren der Volksschule zugewiesen
wurden.

Fabrikschulen entstanden u. a. auch in Rötteln und Haagen, in welchen zunächst wöchentlich
8 Stunden in den Fächern Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen und Kopfrechnen
erteilt wurden.

Bis zum Jahre 1840 gab es keine gesetzliche Regelung der Kinderarbeit in Fabriken.
Deshalb mußten die Kinder nicht selten 15, 16 und mehr Stunden pro Tag arbeiten. Erst
eine allmählich auf das Problem aufmerksam werdende Öffentlichkeit erzwang schließlich
eine verbindliche staatliche Verordnung, welche am 4. 3.1840 zustande kam. In ihr
wird u.a. festgelegt, daß Kinder täglich höchstens insgesamt 12 Stunden beansprucht
werden dürfen. Davon soll der Anteil des erforderlichen Fabrikschulunterrichts täglich
2-3 Stunden betragen, wobei ein Lehrer höchstens 70 Kinder (!) unterrichten darf.1731

Aber in den folgenden Jahrzehnten wurden diese Vorschriften immer wieder von den
Unternehmern ignoriert und gaben zu Beschwerden vor allem von selten der Geistlichkeit
Anlaß. Beispielsweise wurden Kinder 1854 in Haagen trotz eines bestehenden Verbotes
auch zur Nachtarbeit herangezogen und 1862 beklagte sich der Rötteler Pfarrer
darüber, daß in der Haagener Fabrik schulpflichtige Kinder von 5 Uhr morgens bis 21
Uhr abends beansprucht würden. Verschiedene Fabrikanten ließen die Minderjährigen
auch während des Winters bereits von 5 Uhr an arbeiten, weshalb sich viele Eltern bei
den Pfarrern darüber beklagten, wie schwer es sei, die übermüdeten Kinder morgens
zum Aufstehen zu bewegen. Oft wurde der Schulunterricht erst abends - nach zumindest
neunstündiger harter Arbeit - abgehalten, worauf nicht selten als besonders harte
und ermüdende Belastung noch ein kilometerlanger Fuß-Heimweg folgte. (Zu Beginn
des 19. Jahrhunderts wurden beispielsweise noch Kinder aus Binzen und Wittlingen in
Koechlins Druckerei beschäftigt, welche den langen Fußmarsch zur Arbeit und zurück
zweimal am Tag zu bewältigen hatten.)

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