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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
43.1981, Heft 2.1981
Seite: 222
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1981-02/0044
Fritz Schülin versuchte einmal, den durchschnittlichen Tagesablauf eines elfjährigen in
der Fabrik arbeitenden Kindes des 19. Jahrhunderts zusammenzustellen:'76)

Zeit Art der Beanspruchung

5

bis

7

Uhr

Fabrikarbeit

7

bis

71/2

Uhr

Frühstück und Bewegung im Freien

71/2

bis

10

Uhr

Schulunterricht

10

bis

12

Uhr

Fabrikarbeit

12

bis

1

Uhr

Mittagsrast

1

bis

4

Uhr

Fabrikarbeit

4

bis

4 1/2

Uhr

Pause/Abendbrot

41/2

bis

6

Uhr

Fabrikunterricht

Dieser Stundenplan entsprach durchaus der gesetzlichen Regelung von 1840. Wie die
obigen Beispiele aber gezeigt haben, wurde in Wirklichkeit immer wieder von dieser
Norm abgewichen.

Für die Einhaltung der gesetzlichen Verordnungen und die Überwachung des Schulunterrichts
in den Fabriken zeichneten die örtlichen Behörden verantwortlich. Diese
sorgten auch dafür, daß die Schulstundenzahl bis 1866 auf wöchentlich 12 erhöht wurde.
Bei einer Uberprüfung der Koechlinschen Fabrikschule im Jahre 1867 gewannen die behördlichen
Visitatoren keinen günstigen Eindruck vom Ausbildungsstand der Schü-
ler.,77>

Die Uberprüfung »hat nicht nach allen Seiten hin ein befriedigendes Ergebnis geliefert
«, heißt es im Visitationsbericht. Weiter ist zu lesen, daß sich »in mancher Hinsicht-
... das rechte Verständnis und die grundsätzliche Übung sehr vermissen« ließen. Mängel
stellten die Visitatoren vor allem in den Fächern Rechnen, Geometrie, Naturgeschichte,
Naturlehre und Lesen fest. Nach dem Grund des Rückstands wird in dem Bericht nicht
gefragt. Es ist aber zu vermuten, daß - besonders bei dringenden Geschäften - die Maschine
Vorrang vor der Schulbank hatte. Bereits im Jahre 1840 gab es ähnliche Beschwerden
: Die Listen über Schulpflichtige sollen in der Fabrik unvollständig geführt worden
sein. Es gab Klagen an das Bezirksamt, wonach einige Indiennedrucker kleine Kinder
aus ihren Ortschaften einfach als Handlanger einsetzten, welche nicht registriert wurden
und deren Schulbildung deswegen gefährdet worden sei. Für den Fall der weiteren Vernachlässigung
seiner Pflichten wurde dem Fabrikanten daraufhin durch die Behörden eine
Bestrafung angedroht.178'

Den Eltern aber konnte kaum ein Vorwurf gemacht werden, wenn sie ihre Kinder lieber
in die Fabrik als in die Schule schickten. Denn aus existentiellen Gründen waren sie
in den meisten Fällen auf die Einkünfte ihrer Kinder als Zusatzverdiener angewiesen.

Das Lavieren zwischen verschiedenen Interessen stellte für die staatlichen Behörden
ein großes Problem dar. Einerseits wollten sie den Auswüchsen der Kinderarbeit entgegenwirken
: »Allgemein wird man...von dem Grundsatz auszugehen haben, daß der
Staat die Pflicht hat, das körperliche, geistige und sittliche Gedeihen der Minderjährigen
und Unmündigen gegen fremden Eigennutz, Unverstand und Schwäche zu schützen, also
namentlich auch die Gefahren tunlichst abzuhalten, welche eine allzufrühe und übermäßige
Beschäftigung der Kinder in Fabriken im Gefolge haben«.179) Andererseits sah
man ganz klar, daß die Fabrikarbeit der Kinder eng mit den ökonomischen Interessen
weiter Teile der Bevölkerung in Beziehung stand.

Dennoch konnte Kinderarbeit in der Folge allmählich abgebaut werden. In einer Verordnung
aus dem Jahre 1870 wird z. B. festgelegt, daß Kinder unter 12 Jahren in Gewerbebetrieben
nicht mehr beschäftigt werden dürfen, Schulpflichtige über 12 Jahren höch-

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