Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
44.1982, Heft 2.1982
Seite: 32
(PDF, 41 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-02/0034
anerkannt, daß ein gutes Leben nur ist im vollkommenen Bewußtsein der eigenen
menschlichen Verantwortung vor Gott, und daß nur aus einem solch gelebten Bewußtsein
heraus menschliches Leben glücken und gelingen kann, dann muß gerade der Mangel
an solchem Bewußtsein dasjenige herbeiführen, was die immer wieder erwähnten
und so oft abgeschworenen »vergangenen zwölf Jahre« mit sich gebracht haben: ein bis
dahin unvorstellbares Ausmaß an persönlich erfahrenem Leid. Dann ist ferner auch gut
zu verstehen, warum man das Elend der Vergangenheit abgesetzt wissen wollte von der
neu zu gestaltenden Zukunft. Dann ist schließlich auch zu verstehen, warum man sich
entschlossen hat, diese Zukunft bewußter und verantwortungsvoller zu beginnen, und
warum man sich in einer solch nachdrücklichen Weise dem christlichen Sittengesetz verpflichtet
wissen wollte. In diesem Sinne sagte z. B. in seiner Begründung, warum sich die
Demokraten entschlossen haben, der Präambel ihre Zustimmung zu geben, Friedrich
Vortisch am 11. April 1947: »Wir würdigen zwar durchaus die Bedenken, die besonders
von kommunistischer Seite gegen die Erwähnung Gottes in der Verfassung geltend gemacht
werden. Wir teilen die Scheu, den Namen Gottes und auch den Namen der christlichen
Religion in die Sphäre unserer menschlichen Auseinandersetzungen hineinzuziehen
. Wir halten aber trotzdem das Bekenntnis des Vertrauens zu Gott und das Bekenntnis
zu dem christlichen Sittengesetz in der Präambel für richtig, und zwar halten wir das
für richtig vor allem nach dem, was wir an Irrwegen des gottlosen Nationalsozialismus
und ihren Folgen erlebt haben. Diese Irrwege und ihre Folgen hatten ihren Grund in der
gottlosen Einstellung der Nationalsozialisten, die überhaupt kein Sittengesetz im Sinne
unserer christlich-abendländischen Kultur anerkannt haben...«149. Eine ähnliche Aussage
über die geistige Grundhaltung des Nationalsozialismus machte in der nächsten Sitzung
der Landesversammlung auch Josef Harbrecht, als er den französischen Hauptankläger
in Nürnberg, Monsieur de Menthou, zitierte: »Zur Beleuchtung der Geistesentwicklung
möchte ich ein Wort des französischen Hauptanklägers in Nürnberg, Monsieur
de Menthou, anführen, der sagte, die tiefen Ursachen des Nazisystems lagen letzten
Endes in der Abkehr vom Christentum. Hitler war ja der Exponent einer atheistischen
, materialistischen Weltanschauung...«130.

Sieht man jedoch die betreffenden Aussagen der Verfassung nicht vor dem Hintergrund
überlieferter Glaubenswahrheiten, spricht man der christlichen Botschaft die
Glaubwürdigkeit ab, indem man gegenüber dem Glauben an die absolute Unverbrüchlichkeit
, innere Geschlossenheit und letztendliche Verbindlichkeit ihrer Lehre Zweifel
anhäuft, so sinkt ihre Wirkkraft in dem Maße, wie mit dem Zweifel die Fragwürdigkeit
steigt, so daß letztendlich - nun auf die Verfassung selbst bezogen - die in Frage kommenden
Artikel, ja letztlich die gesamte Grundtendenz der Verfassung, tatsächlich zu
nichts anderem mehr gut sind als herzuhalten für die Interessen und besonderen Absichten
der sich auf sie berufenden Partei bzw. Parteien.

Kommen wir nun zum Thema dieses Abschnittes: er fragt ja nach den Konsequenzen,
die aus den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit gezogen worden sind. Hierzu läßt
sich nun folgendes sagen: Der Bestand einer Verfassung ist dann garantiert, wenn sein
Wertesystem Qualität hat. Qualität hat ein Wertesystem dann, wenn es überstaatliche
Werte anerkennt. »Wo überstaatliche Werte anerkannt werden, erscheint der Staat als eine
dem Menschen dienende Ordnung«151. Das Wertesystem des totalitären nazistischen
Deutschland konnte deshalb kein echtes Wertesystem sein, weil es überstaatlich-überzeitliche
Werte nicht anerkannt hat. Propaganda hatte den Glauben ersetzt, der Staat
hatte sich selbst absolut gesetzt und sich damit selbst vergöttlicht. Die Vergöttlichung
aber führte zur Dämonisierung, und die Dämonisierung zum Machtrausch, und der
Machtrausch führte schließlich zur Zertrümmerung des unechten Wertesystems. Die
Suche nach einem neuen, verläßlicheren und gültigeren Wertesystem erfolgte mit einer
bisher nie dagewesenen Intensität. Nicht in Frage kommen konnte eine erneute Vergöttlichung
unter anderen Vorzeichen. Vielmehr sollten die drei grundlegenden christlichen
Tugenden, der Glaube, die Hoffnung und die Liebe, das neue Fundament sichern helfen,

32


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1982-02/0034