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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
44.1982, Heft 2.1982
Seite: 203
(PDF, 41 MB)
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Bücher- und Zeitschriften

Rudolf Laufer: »Industrie und Energiewirtschaft im Land Baden 1945-1952,
Südbaden unter französischer Besatzung'
Band XXVIII der »Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte«,
Verlag Karl Alber, Freiburg/München.

Eine der wenigen Arbeiten von Historikern, die sich mit der Zeit der Besatzung in der französischen
Zone befassen, ist dieser etwas mehr als 400 S. umfassende Band von Rudolf Laufer. Eine Gesamtdarstellung
für die französische Besatzungszone ist m.W. überhaupt noch nicht erschienen,
und dies verdeutlicht die Schwierigkeiten, die einem solchen Unterfangen entgegenstehen. Diese
Zone war ein sehr heterogenes Gebilde, das sich zunächst deutscherseits auf kein Verwaltungszentrum
stützen konnte. Es mußten solche Gebilde für Südbaden und Südwürttemberg erst geschaffen
werden, und das Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz war erst recht willkürlich zusammengesetzt,
dort entstand zunächst überhaupt keine zentrale deutsche Behörde. Deshalb fehlen dort für diese
Zeit zentrale Aktensammlungen, nicht einmal öffentlich-rechtliche Körperschaften, wie etwa Handelskammern
haben für dieses Gebiet als Ganzes eine Rolle spielen können. Weitere Hindernisse
sind, daß die französischen Akten zum größten oder wichtigsten Teil noch nicht freigegeben sind
und auch kaum bald freigegeben werden. Darstellungen der politischen Nachkriegsgeschichte für
die Besatzungszeit liegen andererseits für Westdeutschland als Ganzes vor, in denen die unterschiedlichen
Interessen der französischen Besatzungsmacht einerseits und der anglo-amerikani-
schen Mächte andererseits eingehend behandelt werden. Solange also die französischen Akten nicht
zur Verfügung stehen, kann auf diesem Gebiet kaum etwas Neues erwartet werden. Schließlich
kommt ein mehr psychologisches Hindernis bei der Erörterung der Besatzungsjähre hinzu: Diese
Jahre in ihrer Brutalität erneut aufzurühren. Die Unsinnigkeit solch zwischenstaatlichen Umgangs
gerade für Europa zu erkennen zu geben, ist aber die Aufgabe des Historikers heute.

Laufer hat sich aus diesen oben genannten Gründen auf die wirtschaftliche Seite des Problems in
Südbaden beschränkt, hierfür freilich eine sehr gründliche Darstellung geliefert. Nach einem Rückblick
auf die Ausgangslage, nämlich auf die Folgen des 1. Weltkriegs für die wirtschaftliche Entwicklung
gerade Badens, untersucht er zunächst die wirtschaftliche Struktur des französisch besetzten
Teils, wobei die Bedeutung der Industrie des Landkreises Lörrach auch für das ganze Gebiet
sehr deutlich wird. Bemerkenswert ist dabei die Charakterisierung der südbadischen Industriearbeiterschaft
durch den Gewerkschaftsführer Wilh. Reibel 1947 (S. 19). Laufer vergleicht dann die
Nachkriegsproduktionszahlen mit denen zunächst von 1936 (vor der Hochrüstungsphase), später
mit denen von 1938 und stellt dabei u.a. den wertmäßigen Rückgang auf ca. 50 % bei einer Weiterbeschäftigung
von 62,6 % des Personals fest. Grund für den Rückgang der Produktivität sind die
mangelhafte Ernährungsgrundlage, die auf Selbstversorgung des Ländchens angewiesen ist, dabei
aber Zwangsablief erungen an die französische Besatzung unterliegt, dann Abschneidung aller deutschen
Beziehungen zum Ausland und Rohstoffmangel und schließlich die Demontagen. Hervorgehoben
werden einerseits die Bevorzugung einiger Großfirmen durch den Umstand, daß sich deren
Kapital in schweizerischer Hand befindet, andererseits auch die Beeinflußung der französischen
Demontagepraxis durch solche und andere Konkurrenzinteressen (z.B. anfänglich Lieferung von
67,24% des gesamten Stromverbrauchs an die Chemieindustrie).

Von höchstem Interesse sind die Methoden der frz. Militärregierung gegenüber der Industrie,
mit denen diese der wirtschaftlichen Entwicklung Frankreichs dienstbar gemacht wurde (Kaliwerk
Buggingen). Ziel insgesamt warder Abbau der Industriekapazität auf rd. 50 % des Standes vom Krisenjahr
1932. Der Werkzeugmaschinenbau etwa wurde auf ein Niveau von 11,2% von 1938 gedrosselt
. 1947 erging eine interalliierte Verordnung zur Entflechtung wirtschaftlicher Machtballungen.
Laufer legt dar, daß diese Verordnung in der frz. Zone ganz offensichtlich zum Zweck benutzt wurde
, unter diesem Deckmantel Frankreichs Einfluß auf die badische Wirtschaft zu zementieren durch
Bildung neuer Monopolgesellschaften mit überwiegend frz. Kapital.

Ein Kapitel für sich war die Überwachung und Lenkung des Außenhandels durch die frz. Militärregierung
. Noch im Herbst 1948 war es erst 50 badischen Firmen erlaubt, ins Ausland zu telegrafieren
. Am 28.10.1947 wurden beim Export von Flußspat (Gew. Finstergrund) dem Erzeuger für seine
Lieferung RM. 720 vergütet, während die frz. Militärregierung dafür sfr. 1800 kassiert hat, ein
Wertverhältnis im weltwirtschaftlichen Maßstab von 9:1500. Während sich die Demontagen in der
amerikanischen Zone auf ausgesprochene Rüstungsbetriebe beschränkten, erfolgten in der frz. Zone
zuerst wilde Entnahmen, dann sog. preleves d'urgence (dringende Vorwegentnahmen), wobei
noch vor der offiziellen alliierten Demontageliste (7.11.1947) rd. 45'000 modernste Maschinen im
Wen von 200-220 Mio. Mark demontiert wurden.

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