Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
45.1983, Heft 2.1983
Seite: 50
(PDF, 39 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0052
50 Jahre Machtergreifung
30. Januar 1933 - 30. Januar 1983

Vortrag von Paul Rothmund
am 30. Januar 1983, Lörrach

Zum 50. Male jährt sich der Tag, an dem Hitler in Deutschland die Macht ergriffen
hatte und an dem das Dritte Reich begann, das oftmals auch das 1000jährige Reich bezeichnet
wurde. 12 Jahre darnach lag dieses Reich in Trümmern, rauchten überall Ruinen
, starben täglich an der Front und in der Heimat Schuldige und Unschuldige, und die
Armeen der Alliierten hatten bereits weite Teile des Deutschen Reiches besetzt.

Diese 12 Jahre zwischen 1933 und 1945 aber waren gezeichnet durch den Abbau aller
demokratischen Rechte, sie waren gezeichnet von Verfolgung, Terror und Völkermord.

Das bittere Ergebnis dieser 12 Jahre Faschismus in Deutschland waren nicht nur Ruinen
, nicht nur Millionen Tote und eine zerstörte Wirtschaft. Das bittere Ergebnis war ein
geschlagenes Volk. Geschlagen im doppelten Sinne: einmal vom äußeren Feind, zum anderen
aber von sich selbst, denn es konnte sich nicht mehr verstehen.

Es setzte ein Fragen ein: Warum konnte das geschehen? Wie konnten wir darauf hereinfallen
! Als die Entnazifizierungswelle verrauscht war, als man begann, mit amerikanischer
Hilfe und deutschem Fleiß, das Chaos zu ordnen und dem Wirtschaftswunder zuzueilen
, wurde von weiten Teilen des Volkes eine bequeme Lösung gefunden: man verdrängte
diese Zeit. Ein Abschnitt deutscher Geschichte wurde gestrichen. Der Geschichtsunterricht
hörte beim 1. Weltkrieg auf oder ging maximal bis in die 30er Jahre
der Weimarer Republik.

Es war — wie gesagt — eine bequeme Lösung. Doch sie war nicht von Dauer. Denn es
waren ja noch Fragen offen, Fragen, die die Jugend stellte. Und wir Deutschen fanden
wieder ein Schlagwort für diesen Prozeß: Man sprach von der unbewältigten Vergangenheit
.

Eine Vergangenheit läßt sich nicht ungeschehen machen und läßt sich nicht auslöschen
. Eine Vergangenheit läßt sich nicht bewältigen. Doch man kann eine Vergangenheit
verstehen, denn sie läßt sich geistig aufarbeiten.

Geistige Aufarbeitung bedeutet nun aber auch nicht, einen Schuldigen zu suchen. Das
hat man aber bei uns gemacht. Weder die Millionen der kapitalistischen deutschen Wirtschaft
haben Hitler an die Macht gebracht noch die Zerrissenheit der Arbeiterbewegung
und die Unentschlossenheit der demokratisch-republikanischen Parteien mit der SPD an
der Spitze. Die einen sagen so, die andern behaupten das Letztere.

Ich will das Problem von einer anderen Seite aus angehen und versuchen, eine Antwort
zu finden.

Gerade der 50. Jahrestag ist dazu ein Anlaß. An diesem Tage wird erneut und immer
drängender die Frage laut, wie war es möglich, daß ein Kulturvolk - das deutsche Volk,
das von sich in Anspruch nahm, das Volk der Dichter und Denker zu sein, das Volk
Goethes und Kants, Luthers und Gutenbergs, dieses hochkultivierte und traditionsbewußte
Volk, sich selbst dieses Schicksal freiwillig wählte, nämlich: sich dem Nationalsozialismus
anzuvertrauen, sich ihm zum großen Teil mit Haut und Haaren zu verschreiben
, ja sogar sein Leben dafür zu opfern.

Ich glaube, ich bin nicht der einzige, der mit Begeisterung zum Jungvolkdienst ging,
im Glauben zu helfen, Winterhilfsabzeichen mit der Sammelbüchse in der Hand verkaufte
und sich schlußendlich freiwillig zum Kriegsdienst meldete. Dies alles, obwohl
der Nationalsozialismus einen tiefen Einschnitt in unsere Familie bedeutete. Kurz nach
der Machtergreifung wurde mein Vater - obwohl 1932 auf 15 Jahre gewählt - als Bürgermeister
abgesetzt und prozessierte jahrelang gegen das 3. Reich. Trotzdem! -

3:


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1983-02/0052