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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 1.1985
Seite: 67
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-01/0069
Nottaufe mit Wein - ein Oberländer Brauch

von W. A. Schulze

Im badischen Oberland war es früher üblich, Neugeborene in Wein zu baden. Vom
heutigen Standpunkt aus hygienischen Gründen nicht zu tadeln, da der Alkohol im
Wein sicher desinfizierend gewirkt hat. Nun war ein Neugeborenes in Mengen anscheinend
recht schwach, und die Hebamme suchte nicht lange nach Wasser, das man vielleicht
hätte am Brunnen holen müssen, sondern sie entnahm dem bereitstehenden Weinkrug
noch darin vorhandenen Wein und vollzog damit die Nottaufe. Sie meldete den
Vorgang pflichtgemäß dem Pfarrer und dieser seinem zuständigen »Spezial« (heute Dekan
) Daler (1686 - 1763) in Müllheim.

»Dekane« gibt es übrigens seit dem Rheinbund im süddeutschen protestantischen Bereich
. Die evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck bildet die Nordgrenze des Dekan
-Titels. Westfalen und Rheinland, die z. Zt. von Jeröme auch zum Rheinbund gehörten
, hielten aber am Titel des »Superintendenten« fest. In Baden und Württemberg
hieß es vorher genauer »Spezialsuperintendent«, im Gegensatz zu deren Vorgesetzten,
dem »Generalsuperintendenten«. Der wurde in Baden gar bald aus Gründen der Sparsamkeit
abgeschafft, in Württemberg ging er in dem der 6 Prälaten auf. Als zeitgemäßes
Unikum sei vermerkt, daß es in der lutherischen Thüringischen Landeskirche einen einzigen
Dekan gibt, den von Schmalkalden. Der Grund ist, daß der Kreis Schmalkalden bis
1945 zu Hessen gehörte, genauer zu Kurhessen. Ende 1944 war es dem Thüringer Gauleiter
Sauckel eingefallen, durch eine einseitige Erklärung Schmalkalden von der preußischen
Provinz Kurhessen loszutrennen und seinem Thüringen anzugliedern. Den Amerikanern
fiel dieses Schriftstück 1945 in die Hände, und so wurde Schmalkalden von ihnen
als thüringisch angesehen und schließlich im Austausch mit Berlin der sowjetischen
Besatzungszone einverleibt. Bis jetzt haben die DDR-Behörden den »südwestdeutschen
Fremdkörper Dekan« nicht beanstandet.

Der Titel »Spezialsuperintendent« jedenfalls war den Badenern und Schwaben zu
lang, so kürzten sie ab. Sie sprachen vom »Herrn Spezial«, seine Frau war dann die »Spe-
ziälin«.

Der Spezial Daler von Müllheim nun fragte 1726 in Karlsruhe beim Kirchenrat an, ob
diese Nottaufe in Wein gültig sei oder nicht. Der Kirchenrat kommt in der Sitzung vom
25. 4. 1726 zu der Auffassung, daß eine solche Weintaufe nicht gültig sei. So bekam Daler
einen recht schnippischen Bescheid. Als theologus hätte er das doch wissen müssen
und sich und dem Kirchenrat diese Anfrage ersparen können. An alle Spezialate erging
nunmehr der Befehl, »alle Hebammen in den ihnen gnädigst anvertrauten Diözesen« zu
belehren, daß sie künftig beim »Wasser bleiben sollten«. Aber so töricht war die Anfrage
Dalers durchaus nicht. Denn in Luthers Tischgesprächen wurde auch die Frage einmal
erörtert, ob eine Nottaufe mit Milch oder Bier gültig sei oder nicht. Luther besann sich
lange, kam aber schließlich zu dem Ergebnis, eine solche Taufe für gültig zu erklären.
Denn die Taufe sei ja »das Bad der Wiedergeburt und alles, was Bad genannt kann werden
, das dienet und taugt auch zur Taufe« (Luther, Tischreden, gedruckt zu Eisleben bey
Urban Gaubisch 1566, Nachdruck 1980, S. 219).

Daß in den Tischreden von Bier und nicht von Wein die Rede ist, ist nicht zufällig,
denn der Wein ist in Sachsen nach wie vor kein volkstümliches Getränk. Vor einigen
Monaten wurde in einer Fernsehsendung aus dem südlichen Sachsen ein dortiger Weinberg
(dort ist es eben kein Rebberg!) an der oberen Elbe ganz besonders herausgestri-

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