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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
47.1985, Heft 2.1985
Seite: 169
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1985-02/0171
Ein Müllheimer Brief
Rudolf Borchardts an Hugo von Hofmannsthal

Helmut Bender

Er ist datiert »Müllheim i/B 15 Aug 15« und wurde in dem Band »Hugo von Hofmannsthal
- Rudolf Borchardt - Briefwechsel« (Frankfurt 1954) abgedruckt. Aufs erste
hin mag es verwundern, den gebürtigen Königsberger ("1877) in unsere Region verschlagen
zu sehen. In Marienburg und danach in Wesel am Rhein aufgewachsen, studierte
Borchardt in Berlin, Bonn und Göttingen Klassische Philologie und Archäologie; er lebte
dann längere Zeit in England und in Italien. Nach dem Kriegsausbruch 1914 meldete
er sich als Kriegsfreiwilliger - und eben dies ist auch schon der Grund, daß er im Zug entsprechender
militärischer Ausbildung vorübergehend in Müllheim stationiert war.

Hofmannsthals Dichtungen haben den jungen Borchardt fasziniert und entsprechend
inspiriert. Außergewöhnlich sprachbegabt, hatte er sich zunächst der Orientalistik verschrieben
, um sich dann aber bald den strengeren altphilologischen Methoden zuzuwenden
. In seiner Berliner Studienzeit hatte er noch Treitschke und Mommsen sowie Cur-
tius und Herman Grimm erlebt. Seine ersten Gedichte ließ er in den Jahren 1896 bis 1905
in Göttingen und Basel als Privatdrucke erscheinen. In Leipzig erschien dann die ihn
breiteren Kreisen bekannt machende »Rede über Hofmannsthal«. Seine nachmalige
grandiose Ubersetzertätigkeit begann er mit einer Übertragung der »Germania« des Ta-
citus. Zu ersten persönlichen Beziehungen mit Hofmannsthal war es 1902 gekommen.
1917 wurde Borchardt zum Offizier beim Generalstab in Italien ernannt, nach Kriegsende
hielt er sich bis 1922 vorwiegend in Deutschland auf, danach lebte er erneut in Italien,
besuchte jedoch - bis 1933 - deutsche Städte wiederholt auf Vortragsreisen. Beim Vormarsch
der Alliierten im Sommer 1944 wurde er von der Gestapo nach Innsbruck geschafft
und dort samt seiner Frau in zweiter Ehe, einer Nichte des Dichters Rudolf
Alexander Schröder, als Jude inhaftiert (die Borchardts waren protestantische Kaufmannsfamilien
jüdischer Herkunft). Es gelang ihm schließlich mit Hilfe eines deutschen
Feldwebels, zu entkommen und in Trins am Brenner Zuflucht zu finden. An einem
Schlaganfall verstarb er am 10. Januar 1945.

Borchardt gehört aufgrund seiner Sprachbeherrschung zweifellos zu den Großen innerhalb
der neueren deutschen Literatur. Allerdings erlangte er - mit Ausnahme seiner
Essayistik - keine größere Popularität. Er gilt als ein »poeta doctus« und als ein Humanist
ersten Ranges. Seine Nachdichtungen bezeugen Kongenialität, seine eigenen Werke
(»Gesammelte Werke«, Stuttgart 1955 ff.) wurden nahezu allen literarischen Formen
und Gattungen gerecht. An Prosaerzählungen sind »Das hoffnungslose Geschlecht« sowie
»Der unwürdige Liebhaber«, ferner der Roman »Vereinigung durch den Feind hindurch
« hervorzuheben; an Übertragungen ist auf »Swinburne Deutsch« und an »Dante
Deutsch« zu erinnern, geisteswissenschaftlich seine »Reden« und sein Auswahlband
»Der Deutsche in der Landschaft«; als Anthologie hat sich auch sein »Ewiger Vorrat
deutscher Poesie« bewähn. Borchardts große Schaffenszeit fiel in die Jahre 1920 bis
1930; in der Hauptsache wurden seine Werke von Rowohlt, aber auch in der Bremer
Presse in bibliophiler Weise veröffentlicht. Konservative Elemente herrschen bewußt
vor, Kunst- und Kulturgeschichtliches spielt häufig mit herein, Ubernationales prägt
sein literarisches Gewissen, das allerdings auch von einem betont deutschen Sendungsbewußtsein
durchdrungen war (seine jüdische Herkunft wollte er nicht wahrhaben, aber
die Ironie des Schicksals wollte es, daß seine Werke 1933 in Deutschland verboten wur-

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