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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
49.1987, Heft 1.1987
Seite: 63
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1987-01/0065
28) Im Zweiten Weltkrieg

Während 1914 - 1918, wie übrigens auch 1870 - 1871, Hüningen keinen Schaden
durch Kriegshandlungen erlitten hatte, brachte der Zweite Weltkrieg, wie einst die Re-
volutions- und Napoleonskriege, der kleinen Grenzstadt Leid und Zerstörungen.

Die Bevölkerung wird evakuiert

Zum erstenmal in der Geschichte der Stadt wurde die ganze Bevölkerung von der Behörde
aufgefordert, ihren Wohnsitz zu verlassen und in Innerfrankreich, weit von der
gefährdeten Grenze, Schutz zu suchen.

Gewiß hatten in früheren Jahrhunderten die Hüninger in gefährlichen Augenblicken
ebenfalls ihr Dorf verlassen und waren nach Basel geflüchtet. Aber es handelte sich damals
immer um eine spontane Flucht, die keineswegs verordnet wurde. 1939 aber war
die Räumung der Stadt vorgesehen und vorbereitet. Ein Dorf im Departement Haute-
Saöne, Boult, war als Durchgangslager bestimmt. In Wirklichkeit begab sich nicht die
Hälfte der Flüchtlinge dorthin.

Am Freitag, 1. September 1939, zwischen 14 und 15 Uhr wurde der Räumungsbefehl
bekanntgegeben, den man in jenen Tagen unterträglicher Spannung jeden Augenblick erwartete
, da man die Katastrophe unvermeidlich kommen sah. Man nahm mit, was nützlich
schien und was man tragen konnte. Eine Kommission blieb am Ort, um über die verlassenen
Wohnungen zu wachen. Nach Boult wurden die Hüninger ins Departement
Lot-et-Garonne verbracht, wo sie rund 6 Wochen blieben. Eine Kommission war unterdessen
in die Landes gereist, um die endgültige Unterkunft der Flüchtlinge vorzubereiten
.

Am 10. Oktober kamen die ersten Hüninger in Soustons an, eine saubere Ortschaft
von 4 000 Einwohnern, etwa 8 km vom Ozean entfernt. Die Lebensbedingungen waren
verschieden, je nach der Familie, in der die Flüchtlinge aufgenommen wurden. Jeder Erwachsene
erhielt 10 Francs Unterstützung pro Tag, ein Kind 6 Francs. Die nicht zum
Kriegsdienst eingezogenen Männer fanden Arbeit in Sägereien, Kork- oder Pulverfabriken
.

In Soustons, wo rund 1 100 Hüninger Unterkunft gefunden hatten, befand sich die
Gemeindeverwaltung, und eine vierklassige Schule für Hüninger Kinder wurde eröffnet
. Bei weitem nicht alle Hüninger Flüchtlinge wohnten in Soustons; andere hatten in
benachbarten Gemeinden oder in den verschiedensten Departements Unterkunft gefunden
.

Im Verlauf des außergewöhnlich harten Winters 1939 -1940 empfanden die Flüchtlinge
stärker den Mangel an tausend nützlichen Dingen, die sie am Rheinufer gelassen hatten
. Die Wachkommission spedierte mehrere Waggons voll gewünschter Gegenstände
in die Landes.

An einem Junitag 1940 geschah dann das Unglaubliche: deutsche Soldaten, vor denen
man sich am entgegengesetzten Ende Frankreichs in Sicherheit gebracht hatte, erschienen
in den Landes. Nachdem der Waffenstillstand geschlossen worden war, wurde die
Rückkehr der Flüchtlinge vorbereitet. Am 7. September 1940, ein Jahr nachdem sie ihre
Heimat verlassen hatten, kamen sie wieder am Rheinufer an. Die Stadt sah nicht festlich
aus: die französischen Truppen hatten, bevor sie sich zurückzogen, die Kanalbrücken
gesprengt. Gar manches war aus den Wohnungen verschwunden; man fand Matratzen,
Teppiche, Fauteuils usw. in den Bunkern.

Ein mißtrauisches, brutales, tyrannisches Regime herrschte nun während vier Jahren
im Elsaß. Im Herbst 1940 wurden Einwohner, die als besonders franzosenfreundlich

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