Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 1.1988
Seite: 132
(PDF, 35 MB)
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Ordnung, Bezogenheit, Verläßlichkeit, auch wenn sie menschlichen Prinzipien und
menschlicher Logik nicht immer entsprechen. Das Maß der Verhältnisse, die Reinheit
der Gestaltung im Wechsel von hell und dunkel, die Schlichtheit und Unaufdringlich-
keit der Formen, alles wirkt zusammen und verbreitet das Gefühl von Echtheit, Wahrhaftigkeit
und Geborgenheit. So muß und will sakrale Kunst erhaben, würdig sein, ein
bestimmtes Maß von Verzicht und Opfersinn enthalten. Nur solche Kunst ist eine mögliche
Antwort auf den Anruf der Gnade Gottes.

Nie hat es religiöse Kunst eigentlich schwerer gehabt als heute; denn nie zuvor war
sie so gehalten, ohne verordnete, von Staats wegen dekretierte Meinung, sondern nur
durch sich selbst zu überzeugen. Der frei gewordene Mensch unserer Zeit hat sich auch
von seinem traditionellen Glauben befreit und sucht Hoffnung, Zufriedenheit, Glück
und innere Ruhe in vielen anderen Bereichen, die mit Religion, Glauben und Gott
meist wenig mehr gemeinsam haben.

Umso mehr sieht sich auch Rudolf Scheurer selbst bei der Gestaltung eines einfachen
kirchlichen Gebrauchsgegenstandes wie einer Kanzel, einem Altar oder Ambo von solchen
Überlegungen gefordert. Alle dort sich vollziehenden Handlungen und gesprochenen
Worte bedürfen aus unserer heutigen Sicht, aus unseren speziellen Hoffnungen
und Erwartungen, aus den Fragen unserer Zeit einer neuen Interpretation, eines auf
diesen Tag und diesen Menschen bezogenen Selbstverständnisses. Dem muß sich auch
das Werk des Künstlers unterordnen und durch seine besondere Aussage das Ewig-Gültige
der traditionellen Botschaft für unser Verständnis mitaktualisieren.

Wie es das Beispiel von Hauingen zeigt, bleibt die Kanzel wohl der angestammte Ort
der Verkündigung. Aber das Christliche, das sich bisher vorwiegend als Sammlung
nach innen verstand, oft mystisch verbrämt und räumlich wie in der liturgischen Handlung
von der Gemeinde geheimnisvoll distanziert oder auch über sie sich erhebt, sucht
nun in der Neuorientierung der Kirche die Öffnung nach außen, die Einbeziehung wieder
des ganzen Menschen, auch des Alltagsmenschen, den die Kirche am Arbeitsplatz,
in der Freizeit, in der Familie wie als Mitglied der Gesellschaft zu erreichen versucht.
Nicht von ungefähr rücken bei solcher Neuorientierung und Öffnung nach draußen
auch Altar und Kanzel aus der einstigen Distanz klerikalen Standesbewußtseins nun in
die Mitte der gläubigen Gemeinde. Das muß auch architektonisch und künstlerisch seinen
Ausdruck finden bei der Neugestaltung des Kirchenraumes und seines Inventars.
Solche Art der Verkündigung muß auch dort, wo sie sich ereignet, sichtbaren Ausdruck
finden. Die scheinbare Abstraktion und Reduktion auf einige wenige Symbole, Zeichen
ist die unserer Zeit angemessene, uns daher inzwischen auch ansprechende und
vertraute Art der Formsprache, wie ja auch Glaube und Lehre sich entsprechend artikulieren
und mitteilen. Der Künstler weiß, spürt oder empfindet dies und macht es auf
seine Weise deutlich.

In der Gestaltung des Kreuzes berührt er den heiligsten Bezirk. Es wird zum Gefäß
der Stille, der Anmut, weckt das Verlangen nach Anspruch und Zuspruch. In der Sprache
des behauenen Steins, des gegossenen Erzes verleiht der Künstler den an solcher
Stätte latenten Gefühlen Ausdruck, wird er Interpret unseres gläubigen Verlangens. So
wird der Künstler Mitgestalter des heiligen Bezirks, wird Impuls stiller Andacht, wo
aus der inneren Not das Bittgebet zum Ausdruck des ganz persönlichen Bekenntnisses
wird.

Die religiöse Kunst des 20. Jahrhunderts steht vor zwei Problemen: der Verpflichtung
gegenüber dem traditionellen geistigen Gehalt des darzustellenden Glaubensinhaltes
und der gleichzeitigen Verbindung mit der Formensprache unserer Zeit. Letzte -

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